Forschungshöhepunkte im Zeitraum 2016–2017

Die Forschung am ZMB konzentriert sich auf die Bereiche Onkologie, Immunologie, Infektionskrankheiten und Transplantation sowie Molekulare und chemische Zellbiologie, die im Folgenden anhand beispielhafter Projekte vorgestellt werden.

Onkologie

Das Konzept des Onkologie-Forschungsprogramms ist es, grundlegende Vorgänge in der Tumorbiologie zu verstehen, um neue molekular definierte und rational angewandte Krebsbehandlungsmethoden zu entwickeln. Beteiligte Forscher*innen aus der Biologie sowie der experimentellen und klinischen Medizin untersuchen Tumore als „biologische Systeme“ und so genannte „Neo-Organe“. Eine Vielzahl von Ansätzen, experimentellen Systemen und Methoden zur Analyse von Tumorentstehung, Wachstum, Progression und Tumorzellmigration stehen zur Verfügung.

Die Onkologische Forschung gehört zu den Schwerpunkten der Forschung am UKE und der medizinischen Fakultät. Das Westdeutsche Tumorzentrum (WTZ) bildet die zentrale Struktur für klinische, translationale und Grundlagenforschung in diesem Bereich und wird seit 2009 kontinuierlich durch die Deutsche Krebshilfe als „Onkologisches Spitzenzentrum“ gefördert. 2016 wurde es zuletzt re-zertifiziert. Das WTZ hat sich zu einem der führenden „Comprehensive Cancer Centers“ in Europa entwickelt und ist einer von bundesweit sieben Standorten des 2012 gegründete Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK), das gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) das durch das BMBF und die Sitzländer geförderte Deutsche Zentrum für Gesundheitsforschung (DZG) für anwendungsbezogene Krebsforschung darstellt.

Die von Prof. Martin Schuler geleitete Innere Klinik (Tumorforschung) ist die größte universitäre Einrichtung für Medizinische Onkologie in Deutschland, die im Jahr 2017 nun ihren 50. Geburtstag feiern konnte. Schwerpunkt der Arbeitsgruppe Molekulare Onkologie von Prof. Martin Schuler ist die Entwicklung neuer molekularer Strategien für die Entwicklung individueller, spezifischer und hocheffizienter Krebstherapien. Mittels moderner Ansätze wird versucht, wichtige zelluläre Mechanismen und Angriffspunkte zu identifizieren, die das Ansprechen oder die Resistenz gegen verschiedene Krebstherapeutika beeinflussen. So konnte in enger Zusammenarbeit mit den ZMB-Kollegen Prof. Sven Brandau (Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde), Prof. Karl S. Lang (Institut für Immunologie) und weiteren Kolleg*innen aus Essen und Berlin ein neuer therapeutischer Ansatz entwickelt werden, der eine starke und lang anhaltende Immunaktivierung induziert und damit einen großen immuntherapeutischen Fortschritt darstellt.

Des Weiteren haben Forschungsarbeiten und Studien zu neuen Therapiemöglichkeiten beim Lungenkarzinom und metastasiertem Lungenkrebs in Fachkreisen weltweit große Beachtung gefunden. Dazu zählt einer der meistbeachteten und zitierten medizinischen Fachartikel zum Lungenkrebs der vergangenen Jahre im Journal of Clinical Oncology über Arbeiten zur Anwendung des zielgerichteten Wirkstoffs Afatinib als neue Behandlungsmethoden gegenüber der klassischen Chemotherapie bei Patient*innen mit EGFRMutationen. Folgearbeiten in 2016, welche die Behandlungsdaten der Patient*innen, bei denen der Lungenkrebs bereits in das Gehirn metastasiert hatte, analysierten, zeigten, dass auch bei diesen Patient*innen der Wirkstoff Afatinib eine sehr gut wirksame und der Chemotherapie überlegene Behandlung darstellt.

Ein neues Modell für die Entstehung MYCNabhängiger neuroendokriner Tumore haben Forscher*innen um Prof. Alexander Schramm (Molekular Onkologie) gemeinsam mit Prof. Elke Cario (Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie) und PD Dr. Henning Reis (Institut für Pathologie) entwickelt. In Onctarget beschreiben die Wissenschaftler*innen, wie wirksam Tumore bekämpft werden können, wenn das Tumorwachstum von der Aktivität eines Onkogens wie MYCN abhängt.

Dr. Barbara Grüner (33) leitet seit Anfang 2017 eine Nachwuchsgruppe für Molekulare Tumorpathologie des DKTK am WTZ in der Abteilung für Translationale Onkologie Solider Tumore von Prof. Jens Siveke, wo sie eng mit der Inneren Klinik (Tumorforschung) zusammenarbeitet. Aufgrund ihrer exzellenten Forschung wurde sie 2017 in das renommierte Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgenommen. Ihr Schwerpunkt ist die Erforschung der Mechanismen der Metastasierung im Pankreas- und Lungenkarzinom und die therapeutische Intervention. Eine von ihr entwickelte neuartige Methode erlaubt es erstmals, die Wirkungsweise hunderter sowohl neusynthetisierter und als auch etablierter Therapeutika im Hochdurchsatz in metastasierenden Krebszellen – anders als bisher – im lebenden Organismus zu testen.

Die Immuntherapie gehört heute zu den erfolgversprechendsten Behandlungsmethoden einiger Hautkrebsarten, z.B. des aggressiven, und aufgrund seiner viralen oder UV-assoziierten Karzinogenese hochimmunogenen Merkelzellkarzinoms. Prof. Jürgen Becker (Translationale Hautkrebsforschung) konnte nun gemeinsam mit US-amerikanischen Kolleg*innen zeigen, dass durch „epigenetic silencing“ bestimmte Gene, die an der Präsentation der Tumor-Antigene (HLA Klasse-I) auf den Oberflächen der Krebszellen beteiligt sind, unterdrückt und die Tumorzellen dadurch nicht mehr vom Immunsystem erkannt werden. Dieser Mechanismus kann durch Ausstattung der Tumorzellen mit den fehlenden verarbeiteten Antigenen bzw. durch Blockade des für die Inaktivierung verantwortlichen Schlüsselenzyms, der Histon-Deacetylase, umgekehrt werden. So ist die Wiederherstellung der Präsentation der HLA-Klasse I Antigene auf MerkelzellKarzinom- Zellen ein attraktiver Ansatz zur Verbesserung von Therapien, die die adaptive Immunantwort fördern. Immuntherapeutische Ansätze bei Hautkrebs könnten damit deutlich wirksamer werden.

Die Klinik für Dermatologie am UKE ist für ihre ausgewiesene Expertise im Bereich der Hautkrebsforschung weit über die Region hinaus bekannt. Sie wird seit 2008 von Prof. Dirk Schadendorf geleitet, der seit Mai 2013 auch Direktor des WTZ am UKE ist. Schwerpunkte der Klinik sind translationale Fragestellungen zu verschiedenen Aspekten der Dermatoonkologie, insbesondere der Tumorimmunologie und der Vaskulären Onkologie.

Die Gruppe um PD Dr. Anette Paschen (Molekulare Tumorimmunologie) untersucht die molekularen Mechanismen der Immunflucht, die die Erkennung des malignen menschlichen Melanoms durch NK- und T-Zellen stören. Erkenntnisse über diese Mechanismen ermöglichen Rückschlüsse auf die Resistenz einiger Patient*innen bei Immuntherapien und damit eine weitere Optimierung immuntherapeutischer Behandlungsschemata. Unter der Annahme, dass der durch Immunzellen (CD8+ T-Zellen) freigesetzte Botenstoff Interferon-gamma (IFNγ) aufgrund antiproliferativen und pro-apoptotischen Wirkungen auf Tumorzellen entscheidend ist für die Therapiewirksamkeit, wurde die Evolution genetischer Varianten beim Melanom mit gestörter Zytokinsignalisierung in Arbeiten der AG Paschen u.a. mit den ZMB-Kolleg*innen Prof. Ludger Klein-Hitpass, Prof. Astrid M. Westendorf und Prof. Dirk Schadendorf erforscht. Die Studie konnte nachweisen, dass eine genetische Evolution der IFNγ-Resistenz in verschiedenen Melanom-Patientenmodellen möglich ist.

PD Dr. Iris Helfrich (AG Vaskuläre Onkologie und Metastasierung) und ihre AG sind interessiert, die multifaktoriellen Schritte der Melanom-Metastasierung und die reziproke Kommunikation von Tumorzellen mit Zellen der Mikroumgebung in Bezug auf die Krebstherapie zu verstehen. So konnte in mehreren Arbeiten gezeigt werden, dass tumorinfiltrierende Zellen (z.B. T-Zellen) eine Schlüsselrolle bei der Tumorentstehung spielen.

Auswahl aktueller Forschungsprojekte:

  • Im Zentrum der Forschung des Schwerpunktprogramm THYROID TRANS ACT (SPP 1629) stehen neue Konzepte der Schilddrüsenhormonwirkung und die Fragen, wodurch gesunde und krankhafte Schilddrüsenfunktionen definiert sind. Eine der drei Koordinatorinnen des SPP 16329 an 14 Standorten in Deutschland ist Prof. Dagmar Führer, Direktorin der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen am UKE.
  • ‚‚Unter Leitung von Prof. Jens Siveke (Translationale Onkologie, Schwerpunkte Thorakale und viszerale Onkologie und Westdeutsches Tumorzentrum) und Beteiligung weiterer Standorte erforschen Wissenschaftler*innen im durch die Deutsche Krebshilfe geförderten Verbundprojekt „Regulatoren von Tumorplastizität als therapeutische Zielstrukturen beim Duktalen Pankreaskarzinom“, wie Therapieresistenzen bei Bauchspeicheldrüsenkrebs verhindert werden können. Das Konsortium kombiniert dabei neueste Techniken der Chromatin- und Genomanalyse mit einem gezieltem „Drug- Development“-Ansatz.
  • ‚‚PD Dr. Iris Helfrich (Klinik für Dermatologie, Vaskuläre Onkologie und Metastasierung) bearbeitet gemeinsam mit Kolleg*innen der Bergischen Universität Wuppertal, der RUB und dem Lead Discovery Center aus Dortmund das Verbundprojekt „RIST – Ras Inhibition in soliden Tumoren“, das unter Einsatz von Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) durch die Europäische Union und das Land Nordrhein-Westfalen gefördert wird. Ziel der Expert*innengruppe aus den Bereichen Molekularbiologie, Protein- Strukturaufklärung, chemisches Wirkstoffdesign und medizinische Testsysteme ist die präklinische Entwicklung eines pharmazeutischen Wirkstoffs, der Ras-Proteine spezifisch und effektiv hemmt. Das Projekt RIST legt damit den Grundstein zum Einsatz selektiverer Medikamente gegen wichtige Krebserkrankungen, die auf Mutationen in den Ras-Genen zurückzuführen sind.
  • ‚‚Das GRK 1739 „Molekulare Determinanten der zellulären Strahlenantwort und ihre Bedeutung für die Modularität der Strahlensensitivität“, koordiniert von Prof. Verena Jendrossek (Institut für Zellbiologie) befindet sich nach positiver Evaluation und Verlängerung durch die DFG nun in der zweiten Förderphase. Vor dem Hintergrund, dass die Strahlentherapie eine der wichtigsten und wirkungsvollsten Therapieoptionen in der Tumor-Bekämpfung ist, widmet sich das Kolleg der Aufklärung zellulären Reaktionen und dem mechanistische Verständnis der Zellantwort auf ionisierende Strahlung, um damit die Strahlensensitivität besser zu verstehen. Es vereint dazu innovative Konzepte und modernste Methoden der Strahlenbiologie, der experimentellen und klinischen (Radio)Onkologie sowie der Biomedizin. Das von der EU geförderte Marie Sklodowska Curie Innovative Training Network „RADIATE“ unter der Co-Sprecherschaft von Prof. Verena Jendrossek befasst sich auf internationaler Ebene mit solchen Fragestellungen.
  • ‚‚Ähnliche Fragen werden in dem nationalen Verbund „ZiSStrans- Zielstrukturen der individuellen Strahlenempfindlichkeit“, an dem Prof. Verena Jendrossek (Arbeitsgruppe Molekulare Zellbiologie) neben sechs Partnerinstitutionen an vier verschiedenen Standorten beteiligt ist, bearbeitet. Das BMBF fördert dieses Projekt zur translationalen Forschung zur Personalisierung in der Strahlentherapie bei Tumoren im Kopf-, Hals-und Rachenbereich als Nachfolger zum BMBF-Verbund „ZISS – Identification of molecular targets and signaling networks that modulate radiation hypersensitivity and radiation resistance“. Untersucht werden soll, wie die Reaktion des Tumorgewebes bei einer Strahlentherapie beeinflusst werden kann, ohne dass es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommt, die i.d.R. ein Fortsetzen der Therapie erschweren.
  • ‚‚Gefördert von der Deutschen Krebshilfe untersucht Prof. Ralf Küppers (Institut für Zellbiologie (Tumorforschung)) gemeinsam mit Kolleg*innen aus Frankfurt am Main, welche krebsverursachenden Genschäden bei Kombinationslymphomen zugrunde liegen und wie doppelter Lymphdrüsenkrebs entsteht.
  • ‚‚Prof. Katharina Fleischhauer (Institut für Zelltherapeutische Forschung) untersucht unter Beteiligung von Kolleg*innen des UK Hamburg, des UK Dresden, des UK Würzburg und der Helios Klinik Wiesbaden mit Finanzierung der Deutschen José Carreras Leukämie-Stiftung, wie sich bei Knochenmark-Transplantationen die Auswahl passender Spender*innen verbessern und Risiken und Nebenwirkungen minimieren lassen. Im Zentrum der Untersuchungen steht das Gewebemerkmal HLA-DP, das nach neuesten Erkenntnissen bei Übereinstimmung bei Spender*in und Empfänger*in maßgeblich das Rückfallrisiko senkt, ohne andere Komplikationen im gleichen Maße zu erhöhen. Im beschriebenen Vorhaben wird nun erstmals vor Beginn der Behandlung gezielt nach HLA-DP-gruppengleichen Spender*innen gesucht, um so Erkenntnisse darüber zu erhalten, ob dadurch eine größere Überlebenschance erreicht wird und weniger Rückfälle auftreten.
  • ‚‚Die Vorteile transplantierter somatischer Stammzellen nebenwirkungsfrei zu erhalten, ist Ziel des Projekts „SEVRIT – Produktion und Qualitätssicherung von Stammzellabgeleiteten Extrazellulären Vesikeln für neuartige regenerative und immunmodulierende Therapieansätze“ unter der Leitung von Prof. Peter Horn (Institut für Transfusionsmedizin) und Kolleg*innen. Gefördert im Leitmarktwettbewerb Lebenswissenschaften der EU und des Landes NRW untersucht das Projekt, ob dieselben Therapieerfolge erzielt werden können, wenn man nicht die Stammzellen selbst, sondern ausschließlich die außerhalb der Zellen befindlichen extrazellulären Vesikel (EV) transplantiert.
  • ‚‚Prof. Dirk Schadendorf (Direktor WTZ, Klinik für Dermatologie) untersucht gemeinsam mit Kolleg*innen der DKTK Standorte Tübingen und Heidelberg im Rahmen einer dreijährigen DKTK-Förderung („Joint Funding Wettbewerbs“) bestimmte Mutationen von Krebszell-Genomen. Das Projekt verspricht neue Erkenntnisse über die Ursachen der Fehlsteuerung von Genen, die für die Entstehung der Krebserkrankungen, die Entstehung der Zellwucherung und sich daraus entwickelnder Tumore verantwortlich sind. Bei genetischen Tumoranalysen konzentrierte man sich bisher auf Mutationen, die zu Veränderungen im kodierenden Informationsgehalt von Genen und deshalb zu veränderten Eiweißstoffen (Proteinen) führen. Das Projekt geht einen wichtigen Schritt weiter und sucht gezielt nach Mutationen in Krebszell-Genomen, die in nicht-kodierenden Regionen liegen.