Physik

Chaos und Wirtschaft

Allgemein nennt man in der Welt des Großen ein System chaotisch, wenn kleine Änderungen in der Ursache eine große Wirkung auslösen. Das Wetter ist ein hervorragendes Beispiel. Nun ist aber die Welt des Großen aus den kleinen Dingen zusammengesetzt. Es ist also eine wichtige Frage, ob chaotisches Verhalten in der Welt des Großen schon in der Welt des Kleinen angelegt ist. Dies zu beantworten ist aber sehr schwierig, weil die Naturgesetze in den beiden Welten unterschiedlich sind, denn in der Welt des Kleinen gilt die Quantenmechanik.

Etwas vereinfacht versteht man unter komplexen Systemen solche, bei deren Verständnis die traditionellen Ansätze nicht weiterhelfen. Häufig ändern sich die Systemeigenschaften ständig in unvorhersagbarer Weise. Komplexe Systeme kann man nicht selten modellieren, ­indem man manche Systemeigenschaften als in gewissen Grenzen zufällig annimmt. Mit dieser Theorie der Zufallsmatrizen reduziert man im Ergebnis die Zahl der Systemvariablen erheblich. Die Forschungsgruppe benutzt sie in verschiedensten Bereichen der Physik.

Interessante – und wichtige – komplexe ­Systeme finden sich nicht nur innerhalb der ­traditionellen Physik, sondern auch in der Wirtschaft, zum Beispiel die Finanzmärkte. Man kann als Physiker viel zur Untersuchung solcher Systeme beitragen – allerdings nur, weil es viele Daten und quantitative Informationen gibt. Die Gruppe konnte quantitativ zeigen, wie ­dramatisch die gegenseitigen Abhängigkeiten der Kreditnehmer das Risiko für den Kreditgeber ­erhöhen. Die darin liegende Gefahr wurde offenbar in den Jahren vor der Finanzkrise massiv ­unterschätzt. Physik und Mathematik bewegen sich leider seit einigen Jahrzehnten auseinander. Die Forschungsgruppe Guhr befasst sich mit Problemen, die aktuell sowohl in Physik als auch Mathematik wichtig sind. Insbesondere verwendet sie die Supersymmetrie, um unsere statistischen Modelle zu lösen. Die normalen Zahlen kommutieren, also 3 • 4 = 4 • 3. Es gibt aber auch antikommutierende Variablen, für die a • b = −b • a gilt. Erstaunlicherweise kann man diese beiden Arten von Variablen solcherart gemeinsam ­verwenden, dass die effektive Zahl der Variablen in gewissen statistischen Modellen enorm reduziert wird.