Chemie

Die Fakultät ist an vier der fünf Profilschwerpunkte der Universität Duisburg-Essen beteiligt. Der Bereich Biomedizinische Wissenschaften wird durch Aktivitäten in den Bereichen Bioorganische und Supramolekulare Chemie, Biomaterial-Forschung, Wirkstoffentwicklung und -freisetzung sowie ­Biophysikalische Chemie mitgetragen. Hier sind insbesondere Arbeitsgruppen aus dem Bereich der Organischen und der Anorganischen Chemie sowie der Physikalischen Chemie aktiv, die auch im ­Zentrum für Medizinische Biotechnologie (ZMB) mitarbeiten. Dieser Forschungsbereich findet auch in der Lehre im ­Masterprogramm Medizinisch-Biologische Chemie seine Entsprechung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Fakultät kooperieren in vielfältigen gemeinsamen Forschungsvorhaben mit Kolleginnen und Kollegen aus der Biologie und der Medizin. So wurde zum Beispiel eine neue Klasse sehr effizienter künstlicher Gentransfektionsvektoren entwickelt. Dies sind kleine organische Moleküle, die Erb­material effizient in Zellen transportieren können, was prinzipiell für die Entwicklung neuer Gen­therapien von großem Interesse ist. Ebenso gelang es durch maßgeschneiderte chemische Moleküle, die Bildung von Proteinablagerungen bei der Alzheimer-Krankheit zu beeinflussen. Zumindest im Mausmodell konnten so die kognitiven Fähigkeiten der Versuchstiere deutlich verbessert werden. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus der Physiologischen Chemie konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Fakultät auch künstliche Sauerstofftransportierende Polymerkapseln entwickeln, die derzeit als Blutersatzstoffe für die Notfall­medizin getestet werden.
Der Interdisziplinäre Schwerpunkt Nanoforschung wird unterstützt durch Kolleginnen und Kollegen aus den Fächern Anorganische Chemie, Organische Chemie, Physikalische Chemie, ­Technische Chemie und Theoretische Chemie. Diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bearbeiten zahlreiche Themen in den Bereichen Oberflächenchemie und -funktionalisierung, ­Nano-Materialforschung, weiche Materialien, Self-Assembly und Selbstorganisation, supramolekulare Chemie und Kristallographie. Dabei sind auch ­Bezüge zum Forschungsbereich Biomedizinische Wissenschaften vorhanden, soweit nämlich biologisch-medizinische Aspekte auf der Nanometer-Skala untersucht werden. So werden zum Beispiel Calciumphosphat-Nanopartikel als Knochenersatzmaterialien entwickelt oder die antibakteriellen und biologischen Eigenschaften von Silbernano­partikeln untersucht. An unserer Fakultät besteht dazu auch die Möglichkeit, durch Laserablation in flüssiger Phase „nackte“ Edelmetallnanopartikel herzustellen, die dann gezielt auf ihrer Oberfläche funktionalisiert werden können. Indem ein Draht statt den üblichen Flachproben als Ausgangsmaterial für die Laserablation in Flüssigkeiten verwendet wurde, können wir nun erstmals auch Multigramm-Mengen solcher nackter Nanopartikel zugänglich machen. Damit kann nun die spezifische Wirkung solcher Nanopartikel z.B. auf Proteine getestet werden, ohne dass es zu störenden Nebeneffekten durch andere auf der Oberfläche der Nanopartikel absorbierte (unerwünschte) Teilchen kommt. Mit Hilfe superparamagnetischer Nanopartikel, die auf ihrer Oberfläche durch Pfropfcopolymerisation mit hydrophilen, flexiblen Polymerketten modifiziert wurden, konnten die Eigenschaften kommerzieller Nanofiltrationsmembranen deutlich verbessert werden. Durch Anlegen oszillierender magnetischer Felder führen diese Hybridnanopartikel, als völlig neuartige „Magnetische Mikromischer“, zur Erzeugung turbulenter Verwirbelungen auf der Oberfläche der Filtrationsmembranen und verbessern so die Flusseigenschaften des Systems. Im Bereich der weichen Materialien („soft matter“) wurden zum Beispiel an unserer Fakultät die ersten mehrfach schaltbaren supramolekularen Polymere entwickelt, bei denen sich die makroskopischen Eigenschaften einer Lösung wie zum Beispiel die Viskosität durch die Veränderung der Umgebungsparameter (zum Beispiel Zugabe von Säuren/Basen, Veränderung der Temperatur, An- oder Abwesenheit von Metallen) gezielt verändern lassen. Solche Systeme könnten zukünftig als Bausteine für „intelligente Funktionsmaterialien“ von großem Interesse sein. An solchen schaltbaren Systemen wurde weiterhin die Kopplung zwischen Lösungsverhalten und interner Spannung untersucht. Erstmals konnten Wissenschaftler unserer Fakultät auch zeigen, dass sich ein bisher nur in der Polymerchemie genutztes Verfahren zur Erzeugung mikro- und nanostrukturierter Oberflächen auch zur Erzeugung ultrahydrophober, also stark wasserabscheidender Filme durch Selbstassemblierung kleiner Moleküle eignet.
Arbeitsgruppen der Fakultät sind aktive Mitglieder in CENIDE und engagieren sich dort auch im Vorstand. Darüber hinaus tragen Mitglieder der Fakultät für Chemie aktiv zur Entwicklung des NanoEnergieTechnik-Zentrum (NETZ) bei und beschäftigen sich mit Fragen der Energieforschung. So untersucht eine Arbeitsgruppe aus der Theoretischen Chemie gemeinsam mit Kollegen aus Bochum in Exzellenzcluster RESOLV („Ruhr Explores ­Solvation“) mit Molekulardynamik-Simulationsmethoden technologisch wichtige elektrochemische Reaktionen wie zum Beispiel die Chlor-Alkali-Elektrolyse. Damit soll das Verständnis von ­Prozessen, bei denen Lösungsmittel wie Wasser wichtige Reaktionspartner sind, die aber gleich­zeitig aufgrund hoher Reaktionsumsätze lokal nur im Unterschuss vorhanden sind, verbessert werden.
Der Forschungsschwerpunkt Empirische Bildungsforschung ist in der Fakultät für Chemie in besonderer Weise durch das Fach Didaktik der Chemie vertreten, das Mitinitiator der erfolgreichen Antragstellung zur Einrichtung einer DFG-Forschergruppe und eines Graduiertenkollegs war (Naturwissenschaftlicher Unterricht, nwu-essen). Von der Chemiedidaktik bearbeitete Forschungsfragen beziehen sich auf das kumulative Lernen und die Lernwirksamkeit des Experimentierens in kleinen Gruppen im Chemieunterricht sowie auf die Rolle von Visualisierungen beim Lernen von Chemie. Ein besonderes auch bundesweit bedeutsames Projekt, an dem gleich drei Essener Didaktikerinnen und Didaktiker beteiligt sind, ist die Evaluation der nationalen Bildungsstandards im Fach Chemie. Die fachdidaktische Forschung steuert dafür ­empirisch geprüfte Kompetenzstrukturmodelle bei, die die Grundlagen der Leistungsmessung bilden und nimmt die fachspezifische Auswertung und Interpretation der Testergebnisse vor. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten dazu eng mit dem in Berlin ansässigen Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) zusammen. Auch an der Entwicklung von Aufgaben und bei der Qualitätssicherung für das NRW-Zentralabitur im Fach Chemie sind die Kolleginnen und Kollegen beteiligt.
Der Forschungsschwerpunkt Zukunft urbaner Systeme wird seitens der Chemie vor allem durch die Arbeitsgruppen der Analytischen Chemie und des Biofilm Centres getragen, die auch als Vorstände aktiv im Zentrum für Wasser- und Umweltforschung (ZWU) engagiert und zudem in Personalunion ­Direktoren am Institut für Wasserforschung IWW in Mülheim an der Ruhr sind. Forschungsthemen sind vor allem stoff- und biofilmbezogene Wasserforschung, neue Wassertechnologien und die Verfolgung von (Schad)stoffen in der Umwelt. So beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Fakultät zum Beispiel im Forschungsprojekt „Sichere Ruhr“ mit der Frage, in wie weit die gestiegene Qualität des Ruhrwassers auch eine Aufhebung des bisher geltenden Badeverbots erlaubt, und wie die Gewinnung von Trinkwasser aus der Ruhr weiter optimiert werden kann. Ebenso geht es um die Rolle von Biofilmen als ­Habitat für hygienisch relevante Mikroorganismen oder um die Gewinnung von Wertstoffen aus Braunkohlenasche durch bakterielle Laugung.
Im BiofilmCentre werden auch neue Enzyme aus extremophilen Bakterien und Mikroorganismen (so genannten „Extremozyme“) für biotechnologische Anwendungen im Bereich der Produktion von Feinchemikalien und der Prozessoptimierung optimiert (zum Beispiel Cellulose-Abbau im Bereich der erneuerbaren Energien). Hierzu wurde kürzlich im Rahmen des e:Bio_Innovationswettbewerbs Systembiologie des BMBF ein umfangreiches Verbundprojekt genehmigt, das von unserer Fakultät koordiniert und geleitet wird. Besondere Beachtung durch die Fachwelt fand auch die Entwicklung einer neuen Methode zur Unterscheidung von natürlichem und synthetischem Koffein in koffeinhaltigen Getränken anhand der Kohlenstoff-Isotopie des Koffeins durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Analytischen Chemie.