Fakultät für Mathematik

Stochastik

Der Bereich Stochastik beschäftigt sich mit statistischen Anwendungen, stochastischen Algorithmen, der Approximation von stochastischen partiellen Differentialgleichungen sowie der konzeptionellen Charakterisierung von zufälligen Geometrien und universellen stochastischen Prozessen.

Prof. Belomestny arbeitet zusammen mit Bochumer Ingenieur*innen in einem neuen Projekt im Rahmen des SFB 823 „Statistical modelling of nonlinear dynamic processes“ an der statistischen Modellierung zeitlich und spektral hoch aufgelöster Audiodaten in Hörhilfen. Dieses Projekt befasst sich mit der Vereinfachung von Musiksignalen, sodass diese mit weniger starken Verzerrungen wahrgenommen und mit geringerer Anstrengung zu hören sind. Neue Verfahren für Nutzer*innen von Hörhilfen (speziell von Cochleaimplantaten) werden entwickelt und optimiert. Dabei fließt verstärkt auch a priori-Wissen über musikalische Strukturen und die durch Hörverlust und die Hörhilfe vorgegebenen Beschränkungen ein.

Denis Belomestny und Mikhail Urusov haben das Graduiertenkolleg „Analysing the Interplay of Energy and Finance Markets“ mitbeantragt. Die Komplexität des Zusammenwirkens von Finanz- und Energiemärkten erfordert innovative und interdisziplinäre Forschungsinstrumente, die nur von einer interdisziplinären Forschergruppe bereitgestellt werden können. Die Mathematik und die Wirtschaftwissenschaftliche Fakultät der Universität Duisburg-Essen mit ihrer langen Geschichte beherbergen eine einzigartige Kombination von Forschungsgruppen, um eine solche Forschungsagenda in Angriff zu nehmen.

Als eingeladener Sprecher hat Mikhail Urusov einen Minikurs „A functional limit theorem and numerical approximation for irregular SDEs“ auf der internationalen Sommerschule zur Stochastik und Finanzmathematik 2015 in Sochi gehalten. Das optimale Stoppen unter Ungewissheit ist ein wichtiges Thema in der Finanzmathematik. Heutzutage entstehen Stopp-Probleme vor allem bei der Bewertung neuer Finanzprodukte. Wenn amerikanische Optionen von mehreren Aktien abhängen, kommt es zu mehrdimensionalen Stopp-Problemen. Hierfür effektive Algorithmen zu finden, ist eine Herausforderung, insbesondere wenn der Eintritt von zukünftigen Marktszenarien nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden kann. Ein neuartiger Algorithmus zum optimalen Stoppen unter Ungewissheit wurde entwickelt: Das übliche Monte-Carlo-Verfahren zur Berechnung der Preise von Finanzinstrumenten funktioniert nur unter bestimmten Voraussetzungen in dem zugrundeliegenden Modell einwandfrei. Insbesondere müssen die Koeffizienten der stochastischen Differenzialgleichung regulär und nicht zu schnell wachsend sein. Ein neuer Algorithmus, der auch für irreguläre und schnell wachsende Koeffizienten funktioniert, wurde entwickelt.

Gebündelte Expertise gibt in der Analysis und Numerik von stochastischen (partiellen) Differenzialgleichungen. Einer der zentralen Forschungsschwerpunkte von Prof. Martin Hutzenthaler ist die Konstruktion effizient implementierbarer Lösungen. Von Interesse ist die Frage, ob hochdimensionale (z.B. d=100) nichtlineare, parabolische Differentialgleichungen mit positiver polynomieller Rate approximiert werden können. Die Motivation für diese Fragestellung kommt u.a. aus der Finanzindustrie, in der viele Fragestellungen auf optimale stochastische Kontrollprobleme führen, deren Lösungen durch nichtlineare Hamilton-Jacobi-Bellman PDGen gegeben sind. Ein weiteres Beispiel aus der Physik (z.B. für die Strömung von Flüssigkeiten und Gasen) ist die Frage nach implementierbaren Approximationen von semilinearen stochastischen PDGen wie den stochastischen 2D-Navier-Stokes Gleichungen, die mit positiver L2- Rate konvergieren.

Martin Hutzenthaler wurde mit den Koorganisator*innen Annik Lang (Chalmers), Lukas Szpruch (Edinburgh) und Larissa Yaroslavtseva (Passau) ein Mini-Workshop im Februar 2017 am Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach zu diesem Thema bewilligt. Martin Hutzenthaler und Anita Winter sind im Graduiertenkolleg RTG 2131 „High-Dimensional Phenomena in Probability – Fluctuations and Discontinuity“ aktiv, das im Oktober 2015 gestartet ist. Die Kooperation verschiedener Arbeitsgruppen der TU Dortmund, der Ruhr Universität Bochum und der UDE bieten derzeit elf Doktorand*innen und zwei Postdocs durch Tandem-Vorlesungen, Sommerschulen, der Finanzierung von Forschungsaufenthalten sowie Gästen eine breite wissenschaftliche Ausbildung sowie hervorragende Bedingungen, um jenseits des eigenen Forschungsgebietes aktuelle Forschungstrends mitzuverfolgen. Im Fokus der Essener Projekte stehen u.a. Fragen nach der Untersuchung von Konvergenzraten. Hierbei konzentrieren wir uns auf Paradigmenwechsel, die in der aktuellen Forschung bereits erkennbar sind.

Von zentraler Bedeutung sind zum Beispiel die Untersuchung von Invarianzprinzipien in Abhängigkeit geometrischer Kenngrößen zugrundeliegender metrischer Maßräume sowie Approximationen von stochastischen partiellen Differentialgleichungen. Eine projektverbindende Klammer ist durch das Malliavin-Kalkül sowie die Steinsche Methode gegeben.

Ein weiterer gemeinsamer Forschungsschwerpunkt von Martin Hutzenthaler und Anita Winter liegt in der mathematischen Biologie. Beide sind mit insgesamt drei Teilprojekten am DFG-Schwerpunktprogramm SPP 1590 „Probabilistic Structures and Evolution“ beteiligt. Martin Hutzenthaler interessiet dabei besonders die Frage, ob sich ein altruistisches Gen in „kurzer“ Zeit in einer räumlich strukturierten Population durchsetzen kann. Unter „kurz“ verstehen wir dabei einen Zeitraum, der auf der evolutionären Zeitskala höchstens logarithmisch mit der Populationsgröße wächst. Die Motivation hierfür ist es, den scheinbaren Widerspruch zwischen Darwins Evolutionstheorie und der Existenz von Altruismus aufzulösen. In der Literatur wurde in vereinfachten Spinmodellen gezeigt (u.a. in einigen Nature-Artikeln), dass sich Altruismus durchsetzen kann. Bisher unklar blieb aber, ob dies auch in realistischen Zeiträumen geschehen kann. Anita Winter interessiert sich für die Modellierung von Phylogenien von RNA-Viren, die aufgrund hoher Mutations- und Replikationsraten so schnell evolvieren, dass Evolution und Epidemiologie auf der selben Zeitskala stattfinden. Die Pathogenmuster – und insbesondere die Topologie der Phylogenien - werden von der Stärke des selektiven Drucks, ausgeübt durch die entsprechenden Level von Kreuzimmunität, beeinflusst.

Zielstellung dieses Projektes ist es, ein agentenbasiertes parametrisches Modell aufzustellen, dass je nach Form der Selektionsfunktion die verschiedenen bekannten Shapes von Virusphylogenien liefert. Anita Winter hat in diesem Rahmen zusammen mit Anja Sturm (Universität Göttingen) die zwei Workshops zu „Genealogies of population models with competition“ sowie „Probabilistic models in evolutionary biology“ organisiert, die im Juni 2014 an der Universität Duisburg-Essen sowie im November 2016 an der Universität Göttingen stattfanden.