Analysis/Numerik/Optimierung

Die Forschung in den zur Analysis, Numerik und Optimierung gehörigen Bereichen weisen in ihrer Ausprägung an der UDE eine enge Verzahnung untereinander auf. Die Schwerpunkte der Arbeitsgruppen bilden einen fließenden Übergang von eher „reinen“ Problemstellungen, beispielsweise bezüglich geometrisch motivierter partieller Differentialgleichungen über Aspekte der mathematischen Modellierung und numerischen Behandlung konkreter Anwendungen, etwa in der nichtlinearen Festkörpermechanik bis hin zu deren Optimierung und optimalen Steuerung.

Zahlreiche Beteiligungen an größeren durch die DFG geförderten universitätsübergreifenden Forschungsprogrammen in den Bereichen Optimierung und Numerik unterstreichen die Aktualität unserer Forschungsprojekte. Hier ist die Beteiligung der Arbeitsgruppe (AG) von Prof. Rüdiger Schultz an der zweiten Förderperiode im SFB Transregio 154 zur Thematik „Mathematische Modellierung, Simulation und Optimierung am Beispiel von Gasnetzen“ sowie am auslaufenden GRK 1855, das an der TU Dortmund angesiedelt ist, zu nennen. Eine rege Beteiligung mit geförderten Projekten gibt es an mehreren DFG-Schwerpunktprogrammen, die sich in verschiedenen Stadien ihrer Durchführung befinden. Im 2017 angelaufenen SPP 1984 „Hybrid and Multimodal Energy Systems: Systems Theory and Methods for the Transformation and Operation of Complex Networks“ ist ebenfalls die AG Schultz mit einem Projekt zur Thematik der stochastischen Optimierung unter Unsicherheiten beteiligt.

Bereits seit 2016 läuft das SPP 1962 „Non-smooth and Complementarity-based Distributed Parameter Systems: Simulation and Hierarchical Optimization“, an dem wir mit drei Projekten dabei sind. Die AGs der Professoren Christian Clason und Arnd Rösch beschäftigen sich dabei mit der Parameteridentifikation in nichtlinearen Differentialgleichungen mit nichtdifferenzierbaren Termen, die unter anderem als Modell für Phasenübergänge auftauchen und eng verwandt mit Variationsungleichungen sind. In diesem Projekt konnte unter anderem ein auf verallgemeinerten Ableitungen basiertes iteratives Verfahren für eine Klasse solcher Probleme entwickelt werden. Eng verwandt sind Optimalsteuerungsprobleme für solche Gleichungen, die zusammen mit Arnd Rösch in diesem Projekt untersucht werden. Spannungsbasierte Methoden für Variationsungleichungen in der Festkörpermechanik werden in der AG von Prof. Gerhard Starke in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der Universitá della Svizzera italiana in Lugano untersucht. Hier konnten neue Resultate zur a posteriori-Fehlerschätzung bei der Diskretisierung von Quasi-Variationsungleichungen zur Beschreibung des reibungsbehafteten Kontakts elastischer Körper erzielt werden. Und mit einem multiphysikalischen Problem in der Hochtemperatursupraleitung befasst sich Prof. Irwin Yousept in seinem Projekt. Dabei handelt es sich um die theoretische und numerische Behandlung eines gekoppelten PDE-Modells, bestehend aus nichtglatten Wärmeleitungsgleichungen und hyperbolischen Maxwell-Variationsungleichungen zweiter Art. Dieses PDE-Modell beschreibt den Magnetisierungsprozess und Hystereseverluste von Supraleitern zweiter Art unter dem starken Einfluss von extrem niedrigen Temperaturquellen und externen Magnetfeldern. Die hierfür entwickelte mathematische Theorie wird nicht nur für präzisere numerische Simulationen des multiphysikalischen Supraleitungsvorgangs, sondern auch zur Optimierung von elektromagnetischen Prozessen im Hochtechnologiebereich der Supraleitung benötigt.

Schließlich ist noch das SPP 1748 „Reliable Simulation Techniques in Solid Mechanics: Development of Non-Standard Discretization Methods, Mechanical and Mathematical Analysis“, das sich bereits in der zweiten dreijährigen Förderperiode befindet. Hier ist ebenfalls die AG Starke beteiligt mit einem Projekt zur Spannungsrekonstruktion bei hyperelastischen Materialmodellen, das gemeinsam mit Prof. Fleurianne Bertrand (Juniorprofessorin an der HU Berlin, vormals ebenfalls Mitglied der AG Starke) und Prof. Jörg Schröder (Lehrstuhl für Mechanik, UDE) bearbeitet wird. Gegenstand dieses Projektes ist es letztlich, zu untersuchen, wie weit sich rekonstruktionsbasierte Fehlerschätzer auf nichtlineare Elastizitätsmodelle mit polykonvexen Energiefunktionen verallgemeinern lassen.

Alle diese Beteiligungen an breiteren Forschungsprogrammen profitieren von der Orientierung an Methodenkompetenz in der mathematischen Forschung. Dabei wird ausgenutzt, dass von der Grundidee her eng verwandte Methoden häufig in völlig verschiedenen Anwendungsbereichen einsetzbar sind. Ein Beispiel, das eine Reihe der oben beschriebenen Projekte betrifft, stellt das Newton-Verfahren für nichtglatte Probleme dar. Entsprechende Modifikationen des Newton-Verfahrens, bei denen die Differenzierbarkeitsanforderungen abgeschwächt werden, und die ohne eine glättende Regularisierung auskommen, sind Gegenstand von zahlreichen Forschungsaktivitäten im Bereich der numerischen Optimierung. Diese Thematik war auch Bestandteil der IFIP TC 7-Konferenz über „System Modelling and Optimization“, die im Juli 2018 in Essen stattfand und federführend von Christian Clason organisiert wurde. Mit über 250 Teilnehmer*innen sprengte diese Tagung den üblichen Rahmen von Tagungen an unserer Fakultät bei weitem. Während die beteiligten Professor*innen mit dem geregelten Ablauf der Veranstaltung alle Hände voll zu tun hatten, konnten die Nachwuchswissenschaftler*innen aus den Bereichen Optimierung und Numerik direkt durch die Organisation von Minisymposien und durch Sektionsvorträge zum Gelingen beitragen.

Neben diesen koordinierten Forschungsaktivitäten spielen auch Einzelprojekte in den Bereichen Optimierung, Numerik und Analysis eine wichtige Rolle. Dabei gibt es derzeit zahlreiche geförderte Projekte im Normalverfahren der DFG, aber auch hochaktuelle Forschung anhand von Promotionen auf Haushaltsstellen oder durch nationale oder internationale Kooperationen.

In der AG Schultz waren, neben den eingangs beschriebenen zahlreichen Beteiligungen an speziellen Programmen, Kooperationen mit Mathematiker*innen der Universität Bonn sowie mit dem Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie in Schmallenberg sehr erfolgreich. Als federführender Mitantragsteller hat Rüdiger Schultz gemeinsam mit den Professor*innen Darinka Dentcheva (Stevens Institute of Technology, Hoboken), Jesús De Loera (University of California, Davis) und Georg Ch. Pflug (Universität Wien) den Workshop 1834 „New Directions in Stochastic Optimisation“ am Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach durchgeführt.

Die AG „Inverse Probleme“ von Christian Clason beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Parameteridentifizierung in nichtlinearen Differentialgleichungen mit nichtglatten Termen. In einer Kooperation mit Tuomo Valkonen (Escuela Politécnica Nacional, Quito, Ecuador) wird an iterativen Verfahren für die nichtdifferenzierbare, nichtkonvexe Minimierung mit partiellen Differentialgleichungen gearbeitet. Hier gelang im letzten Jahr erstmals der analytische und numerische Nachweis von optimalen Konvergenzraten für primal-duale Verfahren in unendlich dimen­sionalen Hilberträumen.

In der AG von Paola Pozzi liegt der Forschungsschwerpunkt auf analytischen und numerischen Fragestellungen bei geometrischen partiellen Differentialgleichungen. In Kooperation mit auswärtigen Wissenschaftler*innen wurden insbesondere sowohl analytische Resultate zur Langzeitexistenz des elastischen Flusses von Kurven, als auch Ergebnisse zur Kurzzeitexistenz beim anisotropen Krümmungsfluss erzielt. Diese und weitere, über die letzten Jahre gewonnenen Erkenntnisse werden derzeit eingesetzt, um tiefliegende Fragestellungen bei Netzwerken von Kurven zu verfolgen. Ferner ist hervorzuheben, dass das eingereichte Projekt „Fluss elastischer Netzwerke“ in Kooperation mit den Professor*innen Anna Dall’Acqua (Universität Ulm) und Chun-Chi Lin (National Taiwan Normal University) 2018 von der DFG bzw. von MoST (Ministry of Science and Technology in Taiwan) bewilligt worden ist. Schließlich wurde die schon früher begonnene Kooperation mit Prof. Björn Stinner (Warwick) über numerische Analysis gekoppelter Systeme fortgeführt.

In der AG „Nichtlineare Analysis und Modellierung“ von Patrizio Neff wurden vielfältige Forschungskooperationen, unter anderem mit Mathematiker*innen und Ingenieurwissenschaftler*innen am INSA Lyon, der Universität Kapstadt und dem KIT, fortgesetzt und weiter ausgebaut. Die Forschungsschwerpunkte umfassten dabei verschiedene Bereiche der verallgemeinerten Festkörpermechanik, beispielsweise die Entwicklung eines neuartigen relaxierten mikromorphen Modells zur Beschreibung sogenannter „band gap“-Phänomene, sowie grundlegende Fragestellungen der angewandten Variationsrechnung und verallgemeinerter Konvexität. Hierzu wurde 2018 das DFG-Projekt „Modellierung und mathematische Analyse geometrisch nichtlinearer Cosseratschalen mit Effekten höherer Ordnung und Eigenspannungen“ eingeworben.

In der AG „Geometrische Analysis“ von Prof. Andreas Gastel wurde das DFG-Projekt „Elliptische Systeme höherer Ordnung mit kritischer Nichtlinearität“ zu Ende geführt. Das Resultat ist ein recht allgemeiner Stetigkeitssatz für Lösungen solcher Systeme in der kritischen Dimension. Ferner wurden Anwendungen von Methoden der geometrischen Analysis gesucht, speziell in der Cosserat-Elastizität und in Modellen der theoretischen Physik.

Prof. Christoph Scheven hat in den vergangenen beiden Jahren Kontakte zu der Arbeitsgruppe von Juha Kinnunen an der Aalto-Universität in Espoo, Finnland, aufgebaut. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurde ein Durchbruch in der Regularitätstheorie für Gleichungen vom porösen-Medien Typ erzielt. Darüber hinaus hat er in internationalen Kooperationen mit Wissenschaftler*innen aus Florenz, Neapel, Salzburg und Seoul Resultate über Existenz und Regularität für nichtlineare parabolische Gleichungen erarbeitet.

In der AG von Prof. Georg Weiss wurden in internationaler Zusammenarbeit (u.a. mit Nina Uraltseva) Singularitäten freier Ränder erforscht. Freie Ränder sind a priori nicht fixierte Oberflächen zwischen verschiedenen Phasen wie z.B. die Oberfläche einer Wasserwelle oder die Oberfläche eines Eiskristalls. Das Gebiet erfährt seit kurzem durch die Fields Medaille von Alessio Figalli einen gewaltigen Schub. Neben den freien Rändern wurden im Rahmen einer Doktorarbeit, motiviert von Arbeiten zu Strömungen in Blattvenen und Diffusion in Lungenbläschen, wandernde Wellen in verzweigten Gebieten untersucht. Mit Sagun Chanillo von unserer Partner-Universität Rutgers arbeitet Prof. Georg Weiss schließlich an der Analyse der freien Oberfläche von Neutronensternen.

Die AG von Prof. Petra Wittbold führte die erfolgreiche wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der Universität in Pau und der TU Berlin auf dem Gebiet der nichtlinearen und nichtlokalen partiellen Differentialgleichungen mit stochastischer Störung fort. In der AG von Prof. Ulrich Dierkes wurden die Untersuchungen an analytischen Aspekten geometrischer Differentialgleichungen und geometrisch motivierter Variationsprobleme weitergeführt. Typischerweise handelt es sich dabei um Gleichungen, die verallgemeinerte Flächen mit vorgegebenen Krümmungsgrößen beschreiben oder um die Minimierung gewisser Energiefunktionale bzw. Flächeninhalte. Zu dieser Thematik wurden drei Promotionsprojekte – eines davon zusammen mit der AG von Prof. Paola Pozzi – abgeschlossen und es konnten Kontakte mit der Universidad de Granada aufgenommen und ausgebaut werden.