Nanowissenschaften

Wissenschaftlicher Direktor: Prof. Dr. Christof Schulz
Wissenschaftlicher Direktor : Prof. Dr. Christof Schulz
Geschäftsführer: Dr. Tobias Teckentrup
Geschäftsführer: Dr. Tobias Teckentrup

Forschung

Die zahlreichen Kooperationen zwischen den Wissenschaftlern von CENIDE sowie mit externen Partnern haben auch in den Jahren 2012 und 2013 wieder zu einer Vielzahl von Veröffentlichungen und erfolgreichen Projekten geführt. ­Daher sind die nachfolgenden Highlights nur ein kleiner ­Ausschnitt der Forschungsaktivitäten in CENIDE:

Ein Erfolg für die Nanowissenschaftler aller Fachdisziplinen ist die Anerkennung des „Interdisciplinary Center for Analytics on the Nanoscale“, kurz ICAN, als DFG-Gerätezentrum. ICAN vereint Geräte, Methoden und fachliche Kompetenz zur Analytik auf der Nanometerskala und eröffnet den Arbeitsgruppen der Universität und Koope­rationspartnern die Möglichkeit, ihre Proben mit den jeweils am besten geeigneten Methoden analysieren zu lassen. Einen wesentlichen Schwerpunkt von ICAN bildet das Mikroskopiezentrum im NanoEnergieTechnikZentrum (NETZ) am Campus Duisburg.

Nachfolgend ausgewählte Forschungshighlights aus den Arbeitsgruppen:

Mechanismen auf der Nanoskala

Die Arbeitsgruppe um Prof. Rolf Möller entwickelte eine außergewöhnliche Methode, um die Bewegung einzelner Atome und Moleküle in Echtzeit nachzuverfolgen. In „Nature Materials“ beschrieben die Wissenschaftler, wie sie per Rastertunnelmikroskop einzelne Moleküle des blauen Farbpigments Kupferphthalocyanin auf einer Kupferoberfläche analysierten. Dabei stellten sie fest, dass der Messwert an manchen Stellen des Moleküls nicht konstant blieb, sondern hin- und hersprang. Daraufhin entwickelten sie eine Elek­tronik, die parallel zur normalen Oberflächenmessung ebenfalls sämtliche Parameter dieses Rauschens erfasst: Schaltrate, Schaltamplitude und Taktverhältnis. Übertragen auf die Vorgänge in der molekularen Ebene bedeutet das: Die Forscher können in Echtzeit beobachten, wie sich das Molekül bewegt.

In ebenso kleinen Dimensionen hat die Arbeitsgruppe um Prof. Michael Horn-von Hoegen ­bisher unbekannte Effekte beobachtet: Das zweidimensionale Material Graphen, das lediglich aus einer einzigen Schicht wabenförmig angeordneter Kohlenstoffatome besteht, leitet elektrischen Strom so gut wie kein anderes Material. Doch bei der Herstellung von besonders hochwertigem Graphen wirft der wertvolle Werkstoff Falten, die seine Leitfähigkeit entscheidend verringern. Mithilfe einer ausgeklügelten, erstmals angewandten Analysetechnik konnten die Forscher nachweisen, dass die Falten sich beim Aufheizen vollständig zurückbilden und keine Schäden im Material hinterlassen. Eine elementare Erkenntnis für zukünftige superschnelle Computer oder knautschbare Displays.

Mit der Kombination elektrischer und magnetischer Eigenschaften in einem System haben sich in den vergangenen Jahren besonders zwei Arbeitsgruppen erfolgreich beschäftigt: Das Team um Prof. Heiko Wende, Prof. Wolfgang Kleemann und Dr. Carolin Schmitz-Antoniak ­untersuchte ein Komposit-System aus ferrimagnetischen und ferroelektrischen Bestandteilen, das mithilfe eines Magnetfelds elektrische Spannung aufbaut. Für die digitale Datenspeicherung wird das ­System dadurch interessant, dass die elektrische Polarisation auch noch erhalten bleibt, wenn das Magnetfeld wieder ausgeschaltet ist. Grundsätzlich sollte das Prinzip auch umgekehrt funktionieren, so die Forscher in „Nature Communications“: Nur über eine elektrische Spannung, also ohne Stromfluss, kann die Magnetisierungsrichtung umgeschaltet und so ein Bit geschrieben werden. Der Speicher käme also mit extrem wenig Energie aus.

Die Arbeitsgruppe um Prof. Gerd Bacher beschäftigte sich ebenfalls mit Bauelementen, die elektrische, optische und magnetische Funktio­nalität vereinen. Sein Team konnte erstmals zwei in Fachkreisen bisher umstrittene Kopplungskonstanten unabhängig bestimmen und zeigen, dass eine der beiden Konstanten in der Tat in Nanostrukturen stark verändert ist. Zudem konnten sie nachweisen, dass die von ihnen verwendeten Nanobänder auch bei Raumtemperatur magneto-optische Funktionalität zeigen.

Nano und Leben

Bereits sieben Publikationen hat die Arbeitsgruppe um Prof. Christian Mayer zusammen mit Partnern des Uniklinikums Essen zu Nanokapseln als Sauerstoffträger für künstlichen ­Blutersatz veröffentlicht, allein drei davon im Jahr 2013: Dabei geht es um die Entwicklung und ­Anwendung von polymeren Nanokapseln, die mit Perfluordecalin als Lösemittel für Sauerstoff gefüllt sind. Untersucht wird nun, ob diese Dispersionen als synthetischer Blutersatz in Frage kommen. Erste Tierversuche belegen die grundsätzliche Funktion bereits. Auch wenn einige ­Aspekte der langfristigen Verträglichkeit noch nicht geklärt sind, bestehen dennoch gute Erfolgsaussichten.

Um die Selbstorganisation von Nanostruk­turen geht es dagegen in der Arbeitsgruppe von Prof. Carsten Schmuck. In ihrer vom Fach­medium „Angewandte Chemie“ als „hot paper“ klassifizierten Veröffentlichung beschreiben die Forscher, wie sie erstmals kleine, organische ­Moleküle dazu gebracht haben, sich eigenständig zu einem vergleichsweise großen Gel zu formieren – vereinfacht gesagt, ein Übergang von flüssig zu fest. Anders als bei den meisten konventio­nellen Gelen besteht dieses nicht aus langen, ­fadenförmigen Molekülen, sondern ausschließlich aus kleinen organischen Monomeren. Solche schaltbaren supramolekularen Polymere sind als potenzielle Funktionsmaterialien sehr interessant.

Im Juni 2013 stellten die Beteiligten des Projekts „nanoGEM“ unter der Leitung von PD Dr. Thomas Kuhlbusch die Ergebnisse ihrer jahrelangen Forschungsarbeiten zur Freisetzung und Wirkung von Nanomaterialien vor. Die wichtigste Erkenntnis: Ob und wie Nanomaterialien die Gesundheit ­beeinträchtigen, hängt nicht nur von deren Größe, sondern auch von der Gestaltung ihrer Oberfläche ab. So liefert das Projekt wichtige Erkenntnisse zur Identifizierung von relevanten Eigenschaften. Dies vereinfacht die notwendigen Risikobeurteilungen und macht Gruppierungen auf Basis bestimmter physikalisch-chemischer Eigenschaften für die Risikobewertung möglich.

Nano in der Energietechnik

Mit der Eröffnung des NanoEnergieTechnikZentrums (NETZ) am Campus Duisburg hat die schon seit Jahren bestehende gemeinschaftliche Forschung an Nanomaterialien für energietechnische Anwendungen auch einen räumlichen ­Mittelpunkt bekommen: Das bisher einzigartige Zentrum ermöglicht es den 120 Wissenschaftlern aus der Chemie, Physik und den Ingenieurwis­senschaften, alle Schritte der Prozesskette von der Nanopartikelsynthese aus der Gasphase bis zum Bauteil detailliert zu untersuchen und zu ­optimieren.

Zudem startete Anfang 2012 das große EU-Verbundprojekt „BUONAPART-E“ unter der ­Leitung von Prof. Einar Kruis. Ziel des mit 10,4 Millionen Euro geförderten Vorhabens ist es, industrierelevante Mengen von hochwertigen Nanoteilchen möglichst energieeffizient und ­umweltschonend herzustellen. Dabei wollen die Wissenschaftler die Aufskalierbarkeit von energieeffizienten und umweltschonenden Prozessen für die Herstellung von hochwertigen Nanopartikeln durch Parallelisierung zeigen.

Sehr erfolgreich sind unsere Wissenschaftler auch in der Erforschung von Materialien, die Temperaturunterschiede in elektrischen Strom umsetzen: Gleich fünf Arbeitsgruppen um Prof. Peter Kratzer, Dr. Gabi Schierning, Prof. Roland Schmechel, Dr. Hartmut Wiggers und Prof. Dietrich Wolf konnten sich mit ­ihren Projekten zu nano­strukturierten Thermoelektrika in der zweiten Förderperiode des Schwerpunktprogramms 1386 der Deutschen Forschungsgemeinschaft durch­setzen. Im Jahr 2012 hat Dr. Gabi Schierning ­zusammen mit dem Institut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) und der Gesellschaft für Schweißtechnik International für ihren thermoelektrischen Generator, der aus nanostrukturiertem Silizium besteht, den InnoMateria Award verliehen bekommen.

Batterien, die länger halten, mehr Energie speichern und weniger brennbares Material ­enthalten: Das sind einige Ziele des Projekts ­„NaKoLiA“, das Prof. Christof Schulz, Dr. Hartmut Wiggers und Prof. Angelika Heinzel beim Bundesministerium für Bildung und Forschung eingeworben ­haben. Marktreife ist hier das Ziel. Daher sind auch die Ansprüche der Wissenschaftler konkret formuliert: Sie wollen Gewicht, Größe, Ladezeiten und Kosten von Lithium-Ionen-Batterien reduzieren und gleichzeitig die Speicherkapazität erhöhen. All das mit für Mensch und Umwelt ­ungefährlichen Substanzen. Ihr Material der Wahl heißt Silizium: Es ist unbedenklich, in ausreichenden Mengen verfügbar und damit günstig. Ergänzend dazu ­definieren die beiden Arbeitsgruppen zusammen mit Partnern der Ruhr-Universität ­Bochum im Projekt „NanoSiLiKat“ die Kriterien, die Stabilität und Leistung der Elektrode bestimmen, um darauf aufbauend bessere Materialien zu ­entwickeln. Denn für künftige Möglichkeiten der Energie­speicherung und für die Elektromobilität sind leistungsfähigere Lithium-Ionen-Batterien essenziell.

Für sein Projekt „INNOKAT“ konnte Dr. Philipp Wagener aus der Arbeitsgruppe von Prof. ­Stephan Barcikowski 1,52 Millionen Euro Förderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung einwerben. Die von ihm aufgebaute Arbeitsgruppe entwickelt heterogene Katalysatoren auf Basis besonders reiner Nanopartikel. Diese Katalysatoren spielen bei chemischen Stoffumsetzung oder der Speicherung von Energie in chemischer Form eine entscheidende Rolle. Ihr wichtigster Bestandteil sind Nanopartikel aus Edelmetallen, an denen die katalytischen Reaktionen ablaufen. Und hier gilt: Je reiner die Oberfläche dieser Partikel ist, desto aktiver sind sie. Parallel dazu erforscht das Team um den Nachwuchswissenschaftler Nano­partikel auf der Basis von Nickel, die das bisher übliche – und ausgesprochen teure – Platin in ­Katalysatoren ersetzen könnten.

Um homogene Katalyse geht es hingegen in der Arbeit der Gruppe um Prof. Jochen Gutmann: Zusammen mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim haben die ­Wissenschaftler erstmals eine Methode zur Wiederverwendung organischer Katalysatoren entwickelt und die Ergebnisse in „Science“ veröffentlicht: In der homogenen Katalyse, die beispielsweise in der Pharmaindustrie häufig genutzt wird, liegen sowohl die Katalysatorsubstanzen als auch die Ausgangsstoffe in der gleichen Form vor, zum Beispiel beide gelöst in einer Flüssigkeit. Am Ende einer Reaktion steht daher immer eine Mischung aus dem gewünschten Produkt und den Katalysatorsubstanzen. Letztere bleiben dann im Produkt oder müssen aufwendig aufgereinigt werden. ­Indem die Wissenschaftler die Katalysatoren nun erstmals über kovalente Bindungen an Nylon ­fixiert haben, lassen diese sich nach erfolgter ­Reaktion ganz einfach aus dem Produkt herausziehen und sofort wiederverwenden – ohne Leistungsverlust und ohne Auswirkungen auf das Produkt.