Kopfgrafik

Forschung

Zentral für die Arbeit des INEF ist die Auseinandersetzung mit Globalisierungsprozessen, die etablierte Institutionen der Politik in vielen Bereichen – wie Klimawandel, Migration, Armut oder Instabilitäten in der Weltwirtschaft – unter Anpassungsdruck setzen. Den entsprechenden Wandlungsprozessen spürt das INEF in seiner viel beachteten Publikationsreihe Globale Trends nach, die es gemeinsam mit der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF) herausgibt. Darin werden in Abständen von zwei bis drei Jahren politische, ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen analysiert. Hier wird nicht nur nach dem Zustand globalen Regierens (Global Governance) gefragt, sondern es werden auch Perspektiven künftiger Entwicklungen aufgezeigt.

Ein weiterer zentraler Forschungsbereich des INEF konzentriert sich auf die Analyse von Gewaltkonflikten und die Suche nach Strategien und Instrumenten zur friedlichen Konfliktbearbeitung sowie dem Wiederaufbau von Gesellschaften nach der Beendigung gewaltsamer Konflikte. Kriege und Gewaltkonflikte haben weitreichende Folgen für die von ihnen betroffenen Gesellschaften. Sie führen nicht nur zu humanitären Notständen und Katastrophen, sondern bringen Entwicklungsprozesse zum Scheitern, können zur Fragmentierung von Staaten und der Auflösung ganzer Gesellschaften führen. Zugleich prägen sie in zunehmendem Maße die internationalen Beziehungen: Dies wird deutlich in Diskussionen über humanitäre Interventionen oder die Entsendung von Friedenstruppen (Balkan, Afghanistan), die Rolle der Vereinten Nationen oder den unilateralen Führungsanspruch der USA. Gemeinsam mit vier anderen deutschen Instituten der Friedens- und Konfliktforschung gibt das INEF das jährlich erscheinende Friedensgutachten heraus, in dem Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung für die Politik und die interessierte Öffentlichkeit anschaulich aufbereitet werden.

In Anbetracht der sich vollziehenden Wandlungsprozesse und der zunehmenden Dominanz von Sicherheitspolitik muss sich auch die internationale Entwicklungspolitik neuen Herausforderungen stellen: Welchen Beitrag kann sie zur Bewältigung von Weltproblemen und zur Gestaltung der Globalisierung leisten? Ist sie dazu in der Lage, die Fähigkeiten von Entwicklungsländern zu stärken und deren Steuerungskapazitäten (Governance) zu steigern? Das INEF legt seinen Arbeiten in diesem Bereich einen Entwicklungsbegriff zugrunde, der auf Menschenrechten basiert. Dadurch verbindet es Entwicklungspolitik auch eng mit Fragen der Demokratisierung und Durchsetzung von Menschenrechten. Mit der Proklamation der „Millennium Development Goals“ (MDGs) zur Armutsbekämpfung durch die Vereinten Nationen wurden neue Entwicklungsziele gesteckt, die zunehmend im Verbund mit privaten Akteuren realisiert werden sollen. Auf deren Rolle liegt seit einigen Jahren verstärkt das Augenmerk der INEF-Forschung, wie man beispielsweise am Themenschwerpunkt des vom INEF mit herausgegebenen Jahrbuches Menschenrechte 2006 ablesen kann, das danach fragt, wie Menschenrechte durch staatliche und private Akteure geschützt werden können.
Der spezifische Ansatz des INEF, Grundlagenforschung mit anwendungsorientierter Forschung zu verbinden, spiegelt sich auch im breiten Spektrum der Drittmittelgeber wider: Die Hauptgeldgeber der letzten Jahre waren neben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF), das United States Institute of Peace (USIP), die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und die Weltbank. Kleinere Projekte führt das INEF auch für nicht-staatliche Organisationen (NGOs) und NGO-Netzwerke wie „FoodFirst Informations- und Aktionsnetzwerk“ (FIAN) oder dem Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) durch.

Die Verbindung von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung lässt sich anhand des Forschungsprojekts „Local Governance after State Failure“ illustrieren, das auf Feldforschung in ausgesuchten Regionen Afghanistans (Kunduz, Paktia) und Somalilands (Awdal, Sanaag), eines nach Unabhängigkeit strebenden Teils Somalias, basierte. In klarer Abgrenzung zum Hobbes’schen Theorem der Anarchie und dem Konstrukt eines Leviathans war die Ausgangsthese des Projekts, dass auch in staatsfernen Gesellschaften Entscheidungs- und Steuerungsprozesse (Governance) durch gewisse Normen, Regeln und Verfahren gekennzeichnet sind, die soziale Ordnung konstituieren. Mit innovativen Methoden (Akteurs- und Institutionen-Mapping, Erhebung von Autoritätszuschreibungen durch Vertreter ausgewählter Bevölkerungsgruppen) konnte die Grundannahme bestätigt werden. Zugleich zeigte sich eine erhebliche Varianz zwischen den Fallstudien. So organisierten sich in Kunduz Gewaltakteure in losen vertikalen Netzwerken, die im Sinne von „Gewaltoligoplen“ nur sehr bedingt Sicherheit herstellen konnten. In Paktia fanden wir hingegen horizontale Netzwerke, die gesellschaftlich tief verankert und in erstaunlichem Maße zu Gewaltkontrolle und Konfliktregulierung in der Lage sind. In beiden untersuchten Regionen Somalilands sind Befriedung und Gewaltkontrolle weitgehend gelungen, und zwar wurde dies primär durch Ältestenräte unter Rückgriff auf die Institution des traditionellen Rechts (xeer) geleistet. Aus diesen Befunden lassen sich zum einen neue Erkenntnisse herleiten, welche alternativen Pfade der Staatsbildung es jenseits der These „War makes States“ (Charles Tilly) gibt. Zum anderen wurde die Expertise über lokale Akteure und Institutionen genutzt, um mit lokalen Projektpartnern in einem anwendungsorientierten Folgeprojekt Regelungsmöglichkeiten für Landkonflikte unter Bedingungen fragiler Staatlichkeit zu identifizieren.