Forschung/Veranstaltungen

Ein stetiger Wechsel seiner Themen und Fellows begründet das dynamische Profil des KWI. Die Jahre 2016 und 2017 standen für das Institut im Zeichen des Umbruchs. Nach zehn Jahren endete die Amtszeit Claus Leggewies als Direktor im Juli 2017. Der Politikwissenschaftler hatte sich am KWI verstärkt den Themen KlimaKultur, ErinnerungsKultur und InterKultur gewidmet. Dabei war es ihm stets ein Anliegen, globale Fragestellungen lokal mit den Methoden qualitativer wie quantitativer Sozialforschung zu bearbeiten. Das Ruhrgebiet betrachtete er dabei als „ein bestens geeignetes Laboratorium und Experimentierfeld“. So berief er beispielsweise gemeinsam mit dem Intendanten der Ruhrtriennale, Johan Simons, den „Zukunftsrat“ ein, ein demokratisches Beteiligungsexperiment, zu dem alle Bürger*innen des Ruhrgebiets eingeladen waren, über Zukunftsfragen der Region zu debattieren. Unter der Prämisse „Arrival Metropole Ruhr. Wohn-Raum für Geflüchtete und Alteingesessene“ diskutierten Wissenschaftler*innen und Kulturschaffende 2016 mit den Bürger*innen über Wünsche und Notwendigkeiten für eine verbesserte Wohnsituation im Revier. Das wissenschaftliche Fundament bildete dabei die von Patrizia Nanz und Claus Leggewie veröffentlichte „Konsultative“ (Wagenbach, 2016), eine vielbeachtete Handlungsanleitung, Demokratieverdrossenheit mit Hilfe von Bürgerbeteiligungsinstrumenten entgegen zu wirken. Auch das Forschungsprojekt „Energiewende Ruhr – Rahmenprogramm zur Umsetzung der Energiewende in den Kommunen des Ruhrgebiets“ (2014–2017) nutzte Zukunftsräte, um mit ehrenamtlich engagierten Akteur*innen auszuloten, wie Kommunen unterstützt und befähigt werden können, die Energiewende im Ruhrgebiet nachhaltig voranzutreiben. Zum Abschluss veröffentlichte das Projekt-Team den Band „Geschichten einer Region. Agentinnen des Wandels für ein nachhaltiges Ruhrgebiet“ (Kettler Verlag, 2016), der veranschaulicht, welches Innovationspotential von lokalen Veränderungsallianzen mit praxiserprobtem Lösungswissen für die Energiewende ausgeht. Das Verbundprojekt sah hier ebenso wie der KWI-Direktor das Ruhrgebiet als Schlüsselregion: Eine gelungene und nachhaltige Energiewende an der Ruhr könne Vorbild sein für viele andere industrielle Regionen weltweit. Diese Erkenntnis teilt das Projekt „Energiewende Ruhr“ auch mit dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), dem Claus Leggewie bis 2016 angehörte. Die Expert*innen empfahlen in ihrem Hauptgutachten 2016 die Förderung einer polyzentrischen Urbanisierung und nannten explizit das Ruhrgebiet als „Modell für die Urbanität der Zukunft“.

Mit seiner Mitgliedschaft beim WBGU kam Claus Leggewie einem wichtigen Anliegen nach, das nicht zuletzt in den Gründungsstatuten des KWI festgelegt ist: dem Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Politik- und Gesellschaftsberatung. Gerade die am KWI eingerichteten Forschungsbereiche KlimaKultur und PartizipationsKultur arbeiten in diesem Sinne, auch über seine Direktorschaft hinaus. Im Virtuellen Institut (PartizipationsKultur) beispielsweise bündeln die Wissenschaftler*innen nichttechnische Perspektiven auf die Energiewende in NRW. Hierbei identifizieren sie Hemmnisse sowie das Partizipationsbedürfnis der Bevölkerung und arbeiten heraus, welches Umdenken in der Industrie zur Umsetzung der Energiewende erfolgen muss.

2016 und 2017 liefen ebenfalls einige hochkarätige Projekte aus, die unter Leggewies Leitung ans KWI gekommen waren. Auch in den Forschungsbereichen gab es personelle Veränderungen: PartizipationsKultur-Leiterin Patrizia Nanz wechselte an das IASS in Potsdam und die Leiterin des Schwerpunkts Europa, Tatjana Tönsmeyer, kehrte an die Universität Wuppertal zurück. Damit einhergehend wurde eine behutsame Neuausrichtung der Forschungsbereiche Europa und PartizipationsKultur auf Grundlage thematischer Weiterentwicklungen eingeleitet. So kamen zum Tagungsformat „Praxis Europa“ im Herbst 2017 Menschen aus den Wissenschaften, der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, Verwaltungen und dem Kulturbetrieb auf der Zeche Zollverein zusammen, um gemeinsam über ein demokratisches, gerechtes und zukunftsfähiges Europa nachzudenken und dessen drohenden Zerfall aufzuhalten. Weitere Veranstaltungen sind für 2018 in Planung.

Teil der Praxis Europa-Tagung war eine Sonderausgabe des beliebten Literarischen Salons, der unter dem Titel „Europäischer Salon! Ein Fest für Europa“ Texte europäischer Autor*innen auf die Bühne des Essener Grillo Theaters brachte. Die Essener Ausgabe des „Literarischen Salons“ von Claus Leggewie und dem ehemaligen KWIFellow Navid Kermani fand im Dezember 2016 nach fünf Jahren einen fulminanten Abschluss. Namhafte Autor*innen lasen unter dem Titel „Helden der Gegenwart. Zur Poetik aktuellen Schreibens“ eigens für den Abend vorbereitete Texte, die sie mit Insa Wilke und Claus Leggewie diskutierten.