Fakultät für Biologie

Forschungsschwerpunkt Wasser und Umwelt

Der Forschungsschwerpunkt „Wasser- und Umweltforschung“ ist Teil des gleichnamigen Zentrums (ZWU), dem auch Arbeitsgruppen aus den Fakultäten Chemie und Ingenieurwissenschaften zuzurechnen sind. Die sieben biologischen Arbeitsgruppen des ZWU tragen maßgeblich die Master-Studiengänge „Environmental Toxicology“, „Transnational Water Management“ und „Biodiversity“; zudem werden große Teile der Lehre in den Bachelor- und Masterstudiengängen Biologie und Lehramt Biologie abgedeckt. Die Wasser- und Umweltforschung etabliert derzeit erste Core Facilities. Die Forschung fokussiert sich auf die Wirkung multipler Stressoren auf Struktur und Funktion von Gewässerökosystemen, Bewertung von Gewässern mit klassischen und genomischen Methoden, Ökotoxikologie und Parasitologie. Die Arbeitsgruppen des Schwerpunktes koordinieren derzeit ein FP7 Projekt zum Thema „multiple Stressoren“ (9 Mio. Euro Fördersumme) sowie eine COST Action zu genomischen Ansätzen in der Gewässerbewertung. Wissenschaftler des ZWU sind an dem DFG Schwerpunktprogramm 1704 beteiligt.

In der Arbeitsgruppe Geologie (Prof. Ulrich Schreiber) wurde der erste Teil des Projektes „Untertägiges Pumpspeicherwerk (UPSW) im Ruhrgebiet“ in Kooperation mit Prof. André Niemann (Inst. für Wasserbau) fertiggestellt die zweite Phase bewilligt. Von den in diesem Projekt gewonnenen Erfahrungen zu geologischen Fragestellungen zur Tektonik und Lithologie der Kavernenbereiche und Speicherstrecken ausgehend, wurde eine Konzeptstudie zur Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle erstellt, die eine rückholbare Lagerung in granitischem Gestein unterhalb horizontal liegender Salzschichten vorsieht. Diese Bedingungen liegen optimal im Thüringer Becken vor. Die Studie wurde der „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ übermittelt und ist im Abschlussbericht der Kommission zitiert. In Zusammenarbeit mit der Fakultät Chemie (Christian Mayer, Physikalische Chemie, Oliver Schmitz, Angewandte analytische Chemie) führte das Projekt „Ursprung des Lebens in hydrothermalen Bruchzonen der kontinentalen Kruste“ zu neuen Erkenntnissen über die Bildung von Vesikeln und einer chemischen Evolution von Peptiden unter überkritischem. Darüber hinaus wurden Dokumente einer komplexen organischen Chemie in mehr als drei Milliarden Jahren alten Geröllen hydrothermaler Quarze West-Australiens gefunden.

Die Arbeitsgruppe um Prof. Hardy Pfanz beschäftigt sich mit ökophysiologischen und ökotoxikologischen Untersuchungen zur Wirkung extremer, vulkanogener CO2-Exhalationen (Mofetten). Es wurden Bioindikatoren für geogenes CO2-Gas gefunden, neben mofettophilen, mofettophoben und mofettovagen Pflanzenarten auch Gas-indizierende Nematoden (Fadenwürmer) und Collembolen (Springschwänze). Die physiologische Charakterisierung eines Mofettenpilzes erbrachte Einblicke in die pH-stat-Systeme von Pilzzellen. In einem natürlichen CO2-Gas-See konnte der Treibhauseffekt in situ analysiert, quantifiziert und verifiziert werden. In seismisch oder vulkanisch beeinflussten Böden wurden bodenchemische und bodenphysikalische Parameter quantifiziert und ihr Verhalten gegenüber geogener Azidifizierung charakterisiert. Untersuchungen zur Absorption von Feinstäuben durch lebende und abgestorbene pflanzliche Oberflächen zeigten, dass trotz ähnlicher Staubbindungskapazität der Effekt in situ wegen der geringeren Gesamtfläche der Borken im Vergleich zur gesamten Laubfläche pro Baum geringer ist. Die Quantifizierung/Modellierung des photosynthetischen Kohlenstoffgewinnes durch Stammphotosynthese bei Holzgewächsen zeigt, dass die Kapazität der Rindenphotosynthese in  derselben Größenordnung wie die Raten der Blattphotosynthese.

Die Arbeit der Abteilung Aquatische Ökologie (Prof. Daniel Hering, Prof. Bernd Sures) fokussiert auf die Themenschwerpunkte Gewässerbewertung, Gewässerrenaturierung, Parasitologie und Ökotoxikologie. In allen Forschungsfeldern konnten erfolgreich Drittmittelprojekte akquiriert werden. Die Abteilung koordiniert mehrere Großprojekte und ist an weiteren großen Forschungsvorhaben beteiligt. Seit 2014 koordiniert die Abteilung das EU-geförderte Forschungsvorhaben MARS (www.mars-project.eu) mit 24 Partnern. MARS beschäftigt sich anhand von Freilandexperimenten, Modellierungen und Europa-weiten Daten-Auswertungen mit der Wirkung multipler Stressoren auf aquatische Ökosysteme. Insbesondere wurden empirische Modelle zur Wirkung von Belastungs-Kombinationen auf Lebensgemeinschaften und Ökosystem-Funktionen aufgebaut. Weitere Schwerpunkte liegen auf der Vorhersage des Wiederbesiedlungs-Potenzials für renaturierte Gewässerabschnitte sowie auf der Erstellung von Online-Software für die Gewässerbewertung. Das MERCUR-Verbundvorhaben „Bedeutung von Parasiten bei der Wiederbesiedlung ehemals degradierter Flussökosysteme durch einheimische und invasive Flohkrebse: Das Beispiel der Emscher“, das gemeinsam mit der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wurde, diente der Vorbereitung einer Verbundantragstellung bei der DFG. Auch an dem vom Land NRW geförderten Fortschrittskolleg: „Future Water – Globale Wasserforschung in der Metropole Ruhr“ ist die Abteilung Aquatische Ökologie maßgeblich beteiligt.

Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe Aquatischen Ökosystemforschung um Prof. Florian Leese ist die Analyse des Einflusses von Umweltstressoren auf aquatische Wirbellose. Hierbei nutzt und entwickelt die AG modernste genetische Methoden, um molekulare Stressantworten, Veränderungen in der genetischen Vielfalt von Arten sowie Muster positiver Selektion in Populationen durch Umweltänderungen zu charakterisieren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung DNA-basierter Verfahren zur molekularen Umweltdiagnostik, speziell dem Biomonitoring. Wir konnten in Pionierstudien belegen, dass mit Hilfe der sogenannten DNA-Metabarcoding-Technik bereits jetzt die Zusammensetzung und Veränderung von Lebensgemeinschaften in Flüssen, Seen und Meeren umfassender und standardisierter erfasst werden kann. Hierdurch öffnen sich vollkommen neue Ansätze für das Management natürlicher Ressourcen, jedoch bedarf es noch weiterer Optimierung. Zu diesem Thema wurde im Jahr 2016 eine EU-COST Action mit bislang 31 Partnerländern eingeworben, die von Prof. Florian Leese als Chair geleitet wird (www.DNAqua.Net). Ferner wurde ein Teilprojekt des großen BMBF-geförderten Verbundprojekts GBOL-2 (Koordination: Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig, Bonn, www.bolgermany.de) eingeworben. In diesem Teilprojekt werden die entwickelten Techniken erstmals konkret in der Praxis getestet (Kooperation mit Emschergenossenschaft/Lippeverband).

Die Arbeitsgruppe Biodiversität (Prof. Jens Boenigk) untersucht Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Biodiversität und Ökosystemfunktionen unter anderem im Rahmen des zusammen mit der Ruhr-Universität Bochum durchgeführten MERCUR-Verbundvorhabens „Bedeutung der Überschwemmungshäufigkeit“ sowie des DFG-Schwerpunktprogramms Dynatrait. Dazu untersucht die AG die Verteilung von Arten und Populationen auf regionaler und globaler Ebene. Dies umfasst die Analyse der Muster der Biodiversitätsverteilung und der Faktoren, die zur Differenzierung von Gemeinschaften beitragen. Durch die Entwicklung bioinformatischer und statistischer Auswertungswerkzeuge in Zusammenarbeit mit der Abteilung Bioinformatik konnte die Robustheit molekularer Diversitätsanalysen deutlich gesteigert werden. Die Organisationsform und die funktionelle Differenzierung der Organismen beeinflussen systematisch die Verbreitungsmuster von Organismen. Die vergleichende Analyse einzelner Schlüsselorganismen ist daher ein weiterer zentraler Bestandteil der Forschung. Schlüsselorganismen aus aquatischen und terrestrischen Habitaten werden isoliert und im Labor morphologisch, genetisch und ökophysiologisch charakterisiert. Die Analyse der funktionellen Differenzierung umfasst auf molekularer Ebene Aspekte der Genomevolution und der Regulation der Genexpression sowie auf ökologischer und ökophysiologischer Ebene die Adaption und Akklimatisation an verschiedene Umweltfaktoren und Stressoren.

In der AG Allgemeine Zoologie (Prof. Hynek Burda) lag der Fokus auf der Erforschung der Magnetorezeption, Neuroethologie und Neuroendokrinologie (insb. in Bezug auf Schilddrüsenhormone, Melatonin und Stresshormone) der Wirbeltiere sowie der Verhaltensökologie, Bioakustik, Physiologie, Sinnes- und Fortpflanzungsbiologie und der Biologie des Alterns der Graumulle, afrikanischer unterirdisch lebender Nagetiere. Zu den von Drittmitteln geförderten Forschungsprojekten zählen „Circadiane Rhythmen subterraner Säugetiere – das Erdmagnetfeld als potenzieller Zeitgeber“ (VW-Stiftung), „Biologie des Alterns der Graumulle“ (DFG), „Fehlregulationen des Schilddrüsenhormons Thyroxin als Ursache für Farbwahrnehmungsstörungen und der altersabhängigen Makuladegeneration“ (PRO RETINA-Stiftung), „Neurobiologie des Magnetsinnes der Graumulle“ (Mercator Research Center Ruhr), „Anwendung von Bio-loggern zur Erforschung der magnetischen Ausrichtung bei Säugetieren“ (Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde). Nicht zuletzt beziehen sich die Forschungsaktivitäten der Abteilung auch auf Kleinsäugerfaunistik und Stadtökologie.

Die Forschungsaktivitäten der neu etablierten Arbeitsgruppe Fluss- und Auenökologie (Prof. Peter Haase) fokussieren auf drei Schwerpunkte. Die Forschung zum ökologischen Langzeitmonitoring im Rhein-Main-Observatorium ist in verschiedene EU-Projekte eingebunden, zum einen im Kontext des europäischen Netzwerkes LTER-Europe (http://www.lter-europe.net/lter-europe/projects/eLTER; www.silvagabreta.eu) sowie als europäischer Beitrag zu GEO BON (http://www.eubon.eu/). Verschiedene Studien und Projekte zu Renaturierungen von Fließgewässern und deren Auswirkungen auf die Biodiversität und den Menschen bildeten den zweiten Schwerpunkt, der im Rahmen eines nationalen Projektes zu mehreren „highly cited articles“ geführt hat. Des Weiteren wurden wichtige Multiple-Stressoren Arbeiten publiziert, die die Auswirkungen von Landnutzung, Klimawandel, Verschmutzung und Hydromorphologie auf Fließgewässer-Lebensgemeinschaften beleuchten.