Forschung

Der ForschungsstrangGlobale Kooperation und polyzentrische Governance“ beschäftigt sich mit der Frage, wie sich zunehmend komplexer gewordene Ordnungsstrukturen und regulative Prozesse globalen Regierens in ihrem fluiden, transsektoralen und dezentralen Charakter auf Formen globaler Kooperation auswirken. Fragen von Zeitlichkeit und Prozessen stehen im Mittelpunkt der Forschung zu „Pfaden und Mechanismen globaler Kooperation“, die zeigen soll, welche Arten von Prozessen im Zeitverlauf zum Gelingen/Scheitern von Kooperation beitragen, welche alternativen Pfade identifiziert werden können und welche Mechanismen globale Kooperation behindern oder fördern. 

Die Relevanz beider Forschungsagenden sehen wir beispielsweise vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen im Global-Governance-System. Zum einen wird, gerade mit Blick auf die Rückzugsstrategien der USA, Brasiliens und einiger EU-Mitglieder aus Kooperationsregimen im Bereich Klima oder Migration eine Situation des Stillstands bzw. einer massiven Krise des Multilateralismus diagnostiziert. Daher lag ein besonderer Schwerpunkt auf der Forschung zu Neuen Akteuren und umstrittenen Architekturen in der internationalen Migrations-Governance, die Gegenstand eines Workshops und eines 2020 erscheinenden Special Issues ist. Beispielsweise wird hier das Potential neuerer Entwicklungen wie des Global Compact on Migration kritisch beleuchtet.  

Gleichzeitig lähmen auch sogenannte ‚Anti-Globalisierungs‘-Koalitionen den Fortschritt globaler Kooperationsvorhaben. Besonders einschlägig ist hier das Motiv Innen vs. Außen, das in rechtspopulistischen Erzählungen gegen Migration und für nationalistische Abschottung in Anschlag gebracht wird. Globalisierungsfeindliche Narrative waren Schwerpunkt mehrerer Veranstaltungen  und Publikationen, etwa über die visuelle Anziehungskraft rechtspopulistischer Wahlplakate und das Anti-Immigrationsnarrativ der Pegida-Bewegung.

Die zunehmende ‚Politisierung‘ und Pluralisierung von Akteuren mit Interesse an globalen Prozessen schließlich erhöht die Komplexität der institutionellen und informellen Arrangements globaler Kooperation. Dies zeigt sich unter anderem in den Feldern Internet Governance und in den aktuellen Klimaprotesten, in denen neue und etablierte Akteure konkurrieren und kooperieren. Beiden Themen widmete das Kolleg sich in Veranstaltungen, wie etwa dem Käte Hamburger Dialogue New coalitions of change for just & in-time climate protection? mit einem Schwerpunkt auf der Rolle der Fridays for Future Bewegung sowie einem Workshop zum Thema Contested Power and Authority in Internet Governance.

In diesem Zusammenhang wirft das Phänomen „polyzentrische Governance“ drängende Fragen auf, etwa in Bezug auf Effektivität, Demokratie, Verantwortlichkeit und Gerechtigkeit. Die Forschungsergebnisse spiegeln sich dabei im laufenden Buchprojekt (DIS)ORDER: Techniques, Power and Legitimacy in Polycentric Governing wider, das sich neben einer Bestandsaufnahme gegenwärtiger theoretischer Zugänge im Bereich polyzentrischer Governance als wechselseitiges und disziplinübergreifendes Dialogformat versteht. Mit Blick auf ähnliche Beobachtungen richtet sich ein zentrales Forschungsvorhaben der Gruppe „Pfade und Mechanismen“ gegen deterministische und alarmistische Diagnosen. Wie das interdisziplinäre Buchprojekt Imagining Pathways to Global Cooperation zeigt, ist globale Kooperation kein einheitliches System, das als Gesamtes funktioniert oder scheitert. Vielmehr gibt es eine Vielzahl verschiedener, gleichzeitig ablaufender Prozesse, die als transnationale und globale Kooperation verstanden werden können und neue Ideen hervorbringen, aber auch bestehende Kooperationspfade herausfordern können.

Eine entscheidende Triebkraft emergierender Kooperationsprojekte sind Imaginäre, als kollektivierte und institutionalisierte Form von kreativer Vorstellungskraft, die handlungsleitend werden können, kommuniziert durch symbolische Repräsentationen wie Narrative, materielle Artefakte oder Filme. Die Akteure in Kooperationsprozessen reflektieren dabei nicht nur ihre Ziele, sondern auch Wege und mögliche Alternativen zur Umsetzung. Diese Art der Selbstthematisierung im laufenden Prozess, die wir als Reflexivität verstehen, kann neue Wege eröffnen, etablierte Wege in Frage stellen und Wandel ermöglichen.