Lehr-Lern-Forschung

Die Forschung an unserer Fakultät zu E-Learning und anderen neuen Formen des Lernens ist eingebettet in den größeren Kontext didaktischer Forschung. Eine ganze Reihe von Projekten widmet sich der Untersuchung von Bedingungen des Lernens in unterschiedlichen Kontexten. So untersucht das Projekt „Nachbarsprache & buurcultuur“ empirisch grenzüberschreitende Schulaustauschprojekte: Wie kann Sprachenlernen zusammen mit einer Muttersprachler*in verbessert werden? Welche Materialien müssen zur Verfügung stehen, um Schüler*innenaustausche zwischen weiterführenden Schulen in der Euregio Rhein-Waal umzusetzen, vor- und nachzubereiten? Auch die Voraussetzungen bei den Schüler*innen und Lehrkräften werden verglichen. Was kann vom Nachbarn gelernt werden, um später Leben und Arbeit im Grenzraum zu vereinfachen? 2018 fand der Kongress „Vom Nachbarn lernen“ statt (Förderung Interreg V; Radbouduniversität Nijmegen, UDE und Euregio­schule Kranenburg. Prof. Boonen, Tina Konrad (Niederlandistik), Prof. Heike Roll, Dr. Eva Schmidt, Julia Plainer (DaZ/DaF); Prof. Fuchs, Simone Frank, InKuR). Das Projekt war zudem beteiligt am Kolloquium der Fachvereinigung Niederländisch 2018, das sich an Niederländisch-Lehrer*innen und -Dozent*innen richtete und an der UDE sein 10. Jubiläum feierte (Leitung: Prof. Heinz Eickmans, Prof. Boonen).

„Die Rolle des Lehrers bei der Lenkung religionsbezogener Dialoge im Klassenzimmer. Eine Fallstudie in Hamburg und Duisburg“ untersuchten Prof. Knauth und Dr. Dörthe Vieregge (Evangelische Theologie) an Schulen in Hamburg und Duisburg. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass kulturelle Routinen der Lehraktivitäten den Raum für den gegenseitigen Austausch verengen und schließen und so auch Settings beeinflussen, die eigentlich auf den Dialog ausgerichtet sind. Dennoch kommt die Kommunikation nicht zum Stillstand, sondern erscheint als Abfolge von Verengung/Schließung und Erweiterung/Öffnung von Dialogräumen. Die Handlungen der Lehrpersonen können so als Ausgleich von Spannungen beschrieben werden.

Mehrere Projekte von Prof. Knauth befassen sich mit religiöser Viefalt unter Jugendlichen bzw. Schüler*innen. So verbindet das Projekt „Jugendtheologie – dialogisch und interreligiös. Jugendliche Sichten und theologische Perspektiven aus den Religionen. Empirische Analysen, theologische Interpretationen und religionspädagogische Überlegungen“ die rekonstruierten theologischen Haltungen der Jugendlichen mit Interpretationen von Expert*innen aus den Weltreligionen. Wie denken und argumentieren Jugendliche, was erzählen oder erklären sie zu in diesem Sinne „theologischen Deutungsmustern“?

Im Berufsbildungssystem gibt es seit Jahren Bemühungen, mit der religiösen und weltanschaulichen Vielfalt von Schüler*innen didaktisch angemessen umzugehen. Prof. Knauths Projekt „Dialogischer Religions- und Ethikunterricht in der Berufsschule“ (Kooperation mit den Universitäten Nürnberg-Erlangen und Marburg) untersucht Unterrichtsgeschehen, Lehrer*innen- und Schüler*innen-Sichten und Kontextbedingungen eines erfolgreichen Unterrichtsmodells im Bereich Religion und Ethik an Berufsschulen.

Und auch das Projekt „Konzeptionelle Grundlagen einer Religionspädagogik der Vielfalt“ adressiert die Herausforderungen durch religiöse Diversität und soziale Unterschiede, heterogene Lerngruppen und inklusive Unterrichtsformen in der Schule. Es erarbeitet konzeptionelle Grundlinien einer Religionspädagogik, die Vielfalt entlang religions-, geschlechts- sowie ability/disability­bezogener und sozialer Kategorien für gemeinsame Lern- und Bildungsprozesse berücksichtigt.

Mit sprachlicher Vielfalt im Unterricht befassen sich Prof. Katja F. Cantone, Dr. Anastasia Moraitis und Dr. Patrick Wolf-Farré (DaZ/DaF). Welche Rolle spielt Mehrsprachigkeit in der Deutschlehrerausbildung in NRW, in Rahmenplänen und in Lehrwerken? Das Projekt „Sprachvergleich im Deutschunterricht: Herkunftssprache als Ressource?“ erhebt über einen Fragebogen Wissen/Kenntnisse, Erwartungen und Meinungen von Lehramtsstudierenden zum Thema „sprachkontrastives Arbeiten“. Nach der deskriptiven erfolgt die statistische Auswertung der Daten. Eine Ringvorlesung mit internationalen Gästen, aus der auch ein Sammelband entstehen soll, rundet das Projekt ab.

In der Kooperation des Projekts „Deutsch als Zweitsprache in allen Fächern“ mit dem Institut für Philosophie arbeitete eine interdisziplinäre Kooperation (Magnus Frank, ProDaZ; Prof. Vanessa Albus, Dr. Leif Marvin Jost, Philosophie; Dr. Thomas Geier, Universität Halle-Wittenberg) an einem Beitrag zum sprachsensiblen Philosophieunterricht. Die Ergebnisse wurden in dem Sammelband „Sprachliche Bildung im Philosophieunterricht“ veröffentlicht (2017). Innerhalb des Master-Studiengangs Lehramt an der UDE wird aktuell das Forschungsseminar „Sprachbildung im Philosophieunterricht“ von Denise Büttner angeboten.

Sprache als konstituierendes Element des Geschichtsunterrichts begegnet Schüler*innen nicht nur als Gegenstand bei der Auseinandersetzung mit Quellen und Darstellungen, sondern ist zugleich Medium des Lernprozesses. Analyse, Sachurteilsbildung und die Aushandlung eines Werturteils erfordern vielfältige Sprachhandlungen. Das Erarbeiten von Beschreibungen, Erklärungen und Begründungen zu dessen Verschriftlichung wird vor allem durch die in Aufgabenstellungen enthaltenden Operatoren initiiert. In ihrer Dissertation „Beschreiben, Erklären und Begründen – Die Operationalisierung des Historischen Sachurteils“ arbeitet Charlotte Husemann sprachlich-kognitive und inhaltlich-fachliche Anforderungen für die in schriftlichen Leistungsaufgaben eingesetzten Operatoren theoretisch und empirisch auf, um daraus funktionale, transparente und einsatzfähige Konstrukte für den Fachunterricht zu formulieren (Betreuer: Prof. Markus Bernhardt, Historisches Institut, Förderung: BMBF-Projekt SchriFT).

Ebenfalls im Zusammenhang mit SchriFT steht das Dissertationsprojekt „Schreibförderung im Geschichtsunterricht – Die Relevanz (schrift-)sprachlicher Fähigkeiten für historisches Urteilen“ von Mareike-Cathrine Wickner, M. Ed. (Betreuer: Prof. Bernhardt). Kern ist einerseits die empirische Fassung des Zusammenhangs zwischen allgemeinsprachlichen, fachsprachlichen und fachlichen Fähigkeiten von Gesamtschüler*innen der 7. und 8. Jahrgangsstufe im Ruhrgebiet. Andererseits geht es um die theoretische Entwicklung und praktische Erprobung fachspezifischer Schreibförderinstrumente zur Ausbildung historischer Schreib- und Denkmuster. Angenommen wird, dass durch die zielgerichtete und verstärkte Nutzung fachlich relevanter, sprachlicher Handlungen eine Elaboration des historischen Denkvermögens im Sinne einer diskursiven Auseinandersetzung mit historischen Phänomenen, ihren Bedingungen, Ursachen und Folgen erreicht werden kann.

In der Anglistik untersucht Prof. Eva Wilden zusammen mit PD Dr. Raphaela Porsch, Universität Münster, in zwei empirischen Studien ein relativ neues Schulfach: den Englischunterricht an Grundschulen. In allen Bundesländern lernen Kinder seit 2004/5 mittlerweile mindestens ab der dritten Klasse eine Fremdsprache, in vier Bundesländern bereits ab der ersten Klasse. Wenige Befunde liegen jedoch darüber vor, ob der frühere Beginn auf der Primarstufe vorteilhaft für den Fremdsprachenerwerb ist. Zudem ist offen, welche Rolle neben der längeren Lernzeit andere Faktoren spielen, z.B. die Lehrer*innenqualifikation oder die Unterrichtsqualität. Diesen Fragen widmet sich die TEPS-Studie (Teaching English in Primary Schools). Die I-TEPS-Studie untersucht daneben den inklusiven Englischunterricht an einer innovativen Förderschule in Niedersachsen: Das Kardinal-von-Galen Haus Dinklage implementiert Inklusion „andersherum“, indem es Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf in seinen Grundschulzweig aufnimmt. Vorstudien zeigten gute Leistungsentwicklungen der Kinder in Mathematik und Deutsch sowie ein positives sozial-emotionales Schulerleben. Für die Querschnittstudie wurden Kinder am Ende der 4. Klasse in Englisch getestet. Es zeigte sich, dass die Kinder an der Projektschule englische Hörverstehensleistungen aufwiesen, die vergleichbar sind mit denjenigen von Kindern, die eine Regelschule besucht hatten. Somit tragen beide Studien dazu bei, empirische Forschungslücken in Bezug auf den Englischunterricht an Grundschulen zu schließen. Insbesondere für den inklusiven Englischunterricht an Grundschulen liegen bislang keine Ergebnisse vor, so dass die I-TEPS-Studie wichtige Pionier-Arbeit leistet.

In Österreich finden 2020/21 großangelegte Überprüfungen der Bildungsstandards im Fach Deutsch für die Schulstufen 4 und 8 statt. Im Rahmen der Projektkooperation im Bereich „Sprechen“ (Dr. Behrens) werden auf Basis eines fachdidaktisch fundierten Konstrukts Testitems für die flächendeckende Überprüfung entwickelt und pilotiert (mit Claudia Griesmayr, Iris Grunert, BIFIE Salzburg).

In den letzten Jahren sind Studien erschienen, die Zuhörfähigkeiten von Schüler*innen im Rahmen von Kompetenzstufen modellierten. Die Modelle bilden die Grundlage für das Bildungsmonitoring sowie für Fragen der Unterrichtsentwicklung in der Erstsprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Verarbeitung speziell prosodisch kodierter Information, mithin genuin mündliche Verstehensleistungen spielen bisher kaum eine Rolle. Das Projekt „stimmig“ entwickelte und evaluierte ein neues Testverfahren zum Hörverstehen in der Erstsprache, das die Modalität und die Bedeutung der prosodischen Dimension gesprochener Texte differenzierter in die Modellierung von Zuhörfähigkeit einbezieht (Team: Dr. Behrens; Ursula Käser-Leisibach, FH Nordwestschweiz, Prof. Krelle, TU Chemnitz, Dr. Weirich, IQB Berlin, Claudia Zingg Stamm, FH Nordwestschweiz).