Geisteswissenschaften

Gruppenidentität – Personale Identität

Ebenfalls am Institut für Kommunikationswissenschaft beheimatet, untersucht Dr. Robin Kurilla im Rahmen seiner Habilitation die präkommunikativen und kommunikativen Prozesse der Konstruktion von Gruppenidentitäten. Das Ziel seiner theoretischen Untersuchung besteht darin, eine einheitliche Begriffsarchitektur für kommunikationsanalytische Fragestellungen zu generieren. Dazu werden die Relationen von Kommunikation und Gruppenidentität begrifflich durchleuchtet. Kommunikation und Beobachtung werden nicht nur hinsichtlich ihrer Rolle bei der Identitätskonstruktion beleuchtet. Vielmehr werden auch umgekehrt Identitäten hinsichtlich ihrer Relevanz für Kommunikations- und Beobachtungsprozesse betrachtet.

Das Thema Identitätskonstruktion stand auch im Fokus des internationalen Symposiums zur Sprachlichen Konstruktion von Einzel- und Gruppenidentitäten – Struktur, Pragmatik, Kognition. Nach dem ersten Treffen in Heidelberg 2014 bot das zweite Symposium im Juni 2015 in Essen Gelegenheit zum vertieften Austausch. Der Tagungsband bündelt die Arbeiten einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern zur sprachlichen (Ko-)Konstruktion und metadiskursiven Verhandlung von Identitäten. Die komplexe Konzeptualisierung linguistischer Identitätskonstruktion in verschiedenen Diskurskontexten der Online- und Offline-Kommunikation stellt eine wesentliche Ergänzung zu bisherigen Beiträgen im Feld der Identitätsforschung dar. Der Tagungsband, der zur Publikation bei John Benjamins, Amsterdam, eingereicht ist, wird von Prof. Birte Bös und Dr. Nuria Hernández (Anglistik) sowie Prof. Sonja Kleinke und PD Dr. Sandra Mollin (Heidelberg) herausgegeben.

Probleme personaler Identität sind ein zentrales Thema der Bioethik. Sie spielen u.a. eine wichtige Rolle in Debatten über die Legitimität von Patientenverfügungen, das korrekte Todeskriterium sowie die Rechtfertigung potenziell persönlichkeitsverändernder Therapien. Auf den ersten Blick scheint es in diesen Debatten um Persistenz, unsere numerische Identität über die Zeit hinweg, zu gehen. Doch die meisten Bioethiker halten narrative Identität – d.h. Geschichten, die Menschen über ihr Leben erzählen – für entscheidend für die Begründung identitätsbezogener Urteile. Diese Position expliziert und kritisiert das Habilitationsprojekt von Dr. Karsten Witt (Philosophie), Rechtfertigung und Persistenz. Personale Identität in der Bioethik (Förderung: DFG), um eine Neubestimmung der Rolle numerischer personaler Identität und personaler Ontologie für die Ethik zu erarbeiten und Lösungsvorschläge für ausgewählte bioethische Probleme zu entwickeln.

Am Institut für Katholische Theologie untersucht Prof. Hubertus Lutterbach, inwieweit Supervision und Coaching, die sich beide aus der christlich geprägten Sozialen Arbeit entwickelt haben, in der jahrhundertealten Geschichte der Selbstthematisierung in der Beichte wurzeln: Worin unterscheiden sich diese Instrumente der Identitätsentwicklung, worin stimmen sie überein? Die Beichte hat im mittelalterlichen Europa (600 bis 1500) das Wissen um Introspektion und Techniken der Selbstthematisierung erhalten und verfeinert, nachdem aufgrund sozialgeschichtlichen Wandels fast alle Institutionen zum Erliegen gekommen waren, die sich in der Achsenzeit fast 1000 Jahre lang als Trägerinstitutionen dafür entwickelt hatten. Exemplarisch untersucht das interdisziplinäre Projekt Introspektion und Selbstthematisierung in Beichte, Supervision und Themenzentrierter Interaktion (TZI) die Transformation von religiös motivierten Schuldbekenntnissen zu therapeutisch bedingten Formen der Selbstenthüllung und erschließt, wie Introspektion und Selbstthematisierung im Rahmen moderner Beratungsangebote an die fast 2000-jährige Tradition der Beichte als Introspektionsgenerator anknüpfen.