Urbane Systeme

Forschungshighlights

Im Berichtszeitraum konnten einige wesentliche Forschungsprojekte, die im letzten Forschungsbericht detaillierter dargestellt worden sind, erfolgreich abgeschlossen werden, andere bedeutende Projekte sind auf den Weg gebracht worden. Kennzeichnend für die am Profilschwerpunkt betriebene Forschung gegenüber anderen Zentren der Metropolenforschung ist nach wie vor die zentrale Beteiligung der Geisteswissenschaften an vielen Forschungen. Grundlage hierfür ist das Selbstverständnis des Profilschwerpunkts als Disziplinen übergreifende Forschungsplattform gemäß der Überzeugung, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit urbanen Systemen neben der Untersuchung der gebauten Umwelt und ihrer technischen Infrastrukturen auch die Analyse und Beschreibung der politischen und sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen, Voraussetzungen, Problemen und Konsequenzen urbanen Lebens mit einschließen muss – nur so ist dem Anspruch an „nachhaltige“ Lösungsmöglichkeiten in der Stadt zu entsprechen.

Stadt, Energie und Klimawandel

Eine Vielzahl von Projekten erforscht Fragestellungen urbaner Systeme unter den sich verändernden Grundbedingungen des globalen Klimawandels (Adaption) und erarbeitet Lösungskonzepte des urbanen Klimaschutzes (Mitigation).

Im Rahmen der BMBF-Förderinitiative „Wettbewerb Energieeffiziente Stadt“ (2010–2016) arbeiten in einem wegweisenden Projekt unter dem Titel „Klima-Initiative Essen – Handeln in einer neuen Klimakultur“ das Institut für Stadtplanung und Städtebau und das Zentrum für Logistik und Verkehr gemeinsam mit der Stadt Essen, dem Kulturwissenschaftlichen Institut und der TRC GmbH an Fragen der Energieeffizienz in den Handlungsfeldern Stadtentwicklung, Mobilität, Gebäude und erneuerbare Energien. Zentral ist dabei ein komplexes Zusammenwirken von Top-down- und Bottom-up-Ansätzen, das heißt von Technologie, Ökonomie, Politik mit Stadtentwicklungsbezug, komplementär aber auch von der Dynamik sozialer und kultureller Prozesse. Neue Dienstleistungsangebote und Netzwerke werden unterstützt von innovativen Werkzeugen zur Entwicklung von dezentralen quartierbezogenen Energiekonzepten; das kommunale Energiekataster bietet die entscheidungsvorbereitende Grundlage wirksamer Beratung und Aktivierung der Bürger*innen und kommunaler Akteure. Temporäre Interventionen und Realexperimente zu Stadtraum und Mobilität wurden erprobt, um Bürger*innen die Vorteile nachhaltiger, klimagerechter urbaner Mobilität in einer Urban Share Economy erlebbar zu machen. Aus dem Projekt ist die Essener Klimaagentur mit konkretem Beratungsportfolio entstanden und es entwickelte sich das Profil der Stadt Essen als „KlimawerkStadtEssen“ (www.klimawerkstadtessen.de) und programmatischer Rahmen aller kommunalen Klimaprojekte. Nicht zuletzt konnte das Projekt die letztlich erfolgreiche Bewerbung der Stadt Essen um den Titel der Europäischen Umwelthauptstadt („European Green Capital Award“) 2017 unterstützen.

Im Rahmen der Ausschreibung des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW zum Fortschrittskolleg/Promotionsprogramm (2014–2018) „Energieeffizienz im Quartier – clever versorgen.umbauen.aktivieren“ (EEQ) waren einige Mitglieder des Profilschwerpunkts Urbane Systeme zusammen mit anderen Lehrstühlen der Universitätsallianz Ruhr erfolgreich. Zusammen mit der TU Dortmund [Ch. Reicher (Leitung; Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung), J. Myrzik (Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft), H. Holzmüller (Marketing)] und der RUB [R. G. Heinze (Allgemeine Soziologie, Arbeit und Wirtschaft), J. Ch. Pielow (Berg- und Energierecht)] haben A. Heinzel (Energie- und Umweltverfahrenstechnik), Ch. Weber (Energiewirtschaft), J. A. Schmidt (Stadtplanung und Städtebau) mitgewirkt. 

Als weiteres hochinnovatives Projekt ist das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt „Urban Factory – Entwicklung ressourceneffizienter Fabriken in der Stadt“ zu nennen (2015–2018), in dessen Rahmen eine Wissensplattform zur Energie- und Ressourceneffizienz von Industrie- und Produktionsanlagen in der Stadt entwickelt wird. Die Fabrik wird dabei nicht nur als Energie- und Ressourcenverbraucher betrachtet, vielmehr werden mit Praxispartnern modellhaft Möglichkeiten untersucht, die Versorgung umgebender Stadtteile zu gewährleisten und aus Sicht von Stadtplanung, Städtebau, Industriebau, Fabrikplanung, Logistik und Energiedesign zu entwickeln. An dem Projekt sind die Technischen Universitäten Braunschweig und Dortmund sowie die UDE mit dem Institut für Stadtplanung und Städtebau beteiligt.

Mit Mitteln des BMU erarbeitet das Zentrum für Logistik und Verkehr in Zusammenarbeit mit dem Institut für Baumanagement und Baubetrieb in enger Partnerschaft mit der Stadt Duisburg, kommunalen Beteiligungsunternehmen sowie Wirtschaft und Industrie ein kommunales Klimaschutzkonzept, dass kollaborativ und partizipativ verstandene urbane Lebensqualität mit industrieller Prosperität verbindet. Das Projekt berücksichtigt insbesondere Duisburg in seiner Eigenschaft als einer der wichtigsten industriellen Stahlproduktions- und Logistikstandorte Europas um neben der notwendigen Reduzierung von Treibhausgasen komplementäre Chancen der nachhaltigen Stadtentwicklung und klimafreundlicher urbaner Industriewirtschaft zu kreieren (2015–2016).

Nachhaltiges urbanes Landmanagement

Das Verbundprojekt „KuLaRuhr: Nachhaltige urbane Kulturlandschaften in der Metropole Ruhr“ wurde über die Maßnahme „Nachhaltiges Landmanagement“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) seit Mai 2011 gefördert und konnte im Oktober 2014 erfolgreich abgeschlossen werden. Es beschäftigte sich mit den Chancen und Instrumenten eines nachhaltigen Landmanagements für die Zukunft und kann als ein äußerst erfolgreiches Beispiel für die disziplinenübergreifende Zusammenarbeit im Profilschwerpunkt Urbane Systeme gelten.

Forschungsakteure bei diesem Verbundvorhaben waren neben der Universität Duisburg-Essen mit dem ZWU, das in diesem Projekt die Koordinationsfunktion übernommen hat, weitere vier Universitäten (Darmstadt, Bochum, Kassel und Braunschweig) auch der Regionalverband Ruhr (RVR), die Landwirtschaftskammer NRW, Emschergenossenschaft und Lippeverband, die Stadt Bottrop, das Ruhr-Institut e. V. sowie die Rechtsanwaltskanzlei Heinemann & Partner. Der Forschungsraum bezog sich schwerpunktmäßig auf die Kulisse des Emscher Landschaftsparks (ELP).

Der Fokus der Arbeiten der Universität Duisburg-Essen lag auf der Entwicklung und Erprobung von innovativen Ideen für einen nachhaltigen Umgang mit Flächen, Energie und Wasser. Untersuchungen zur Nutzung von Abwärme aus Abwasserkanälen wiesen nach, dass schon eine Erwärmung des Abwassers um 3° C wirtschaftlich sein kann und zu einer deutlichen Einsparung von CO2 führt. Ein Konzept zur dezentralen Speicherung von Niederschlagswasser durch gesteuerte Zisternen zeigte, dass die aktuellen Niederschlagsprognosen nicht ausreichend sind, um jedes Starkregenereignis mittels intelligenter Zisternen abzufangen, obwohl in den Zisternen prinzipiell ausreichend Speichervolumen bereitgestellt werden kann, um größere Regenereignisse abzufangen. Ein maßgeblicher Austrag von Spurenstoffen durch Simulation niederschlagsbedingter Auswaschungen von gedämmten Gebäudefassaden konnte nicht festgestellt werden. Im Rahmen des ökologischen Umbaus der Emscher durchgeführte Feldstudien zeigten, dass die umgebauten Gewässerabschnitte zunächst von „Pionieren“ besiedelt werden und sich erst nach etlichen Jahren eine typische Bach-Lebensgemeinschaft etabliert. Stoffliche Komponenten können hierbei neben anderen Faktoren die Besiedlung von Gewässerabschnitten mit Organismen beeinflussen. Anhand von Untersuchungen zur Flächennutzung in Siedlungsgebieten wurden mögliche Zielkonflikte urbaner Biomassenutzung mit der klimatischen Ausgleichsfunktion der Freiflächenstandorte untersucht und über einen einfachen Bewertungsansatz klassifiziert. Unter anderem erfolgte ein Vergleich von Biomassestrategien anhand von Szenarien unter Berücksichtigung krautiger Biomasse aus Anbau, holziger Biomasse aus Pflege sowie holziger Biomasse aus Anbau mit dem jeweiligen Status Quo der Freifläche. Naturschutzrelevante Größen wie verschiedene Biodiversitätsparameter wurden auch für neun typische urbane Lebensräume miteinander verglichen, um eine Basis für die Prognose der Entwicklung der Biodiversität unter verschiedenen Nutzungsszenarien für den Modellraum der Welheimer Mark zu entwickeln. Ökologische wie ökonomische Kriterien bewerteten das Szenario „Gewerbepark“ am besten, das Szenario „Agroforst“ am schlechtesten. Außerdem wurde ein Planungswerkzeug konzipiert, um die Entwicklung eines integrierten Logistikkonzepts zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen bei der Verwertung von Biomassen voranzutreiben. Das erfolgreich entwickelte Planungstool bietet Kommunen nun Hilfestellung für langfristige Verwertungsstrategien städtischer Biomassen. Die Verbundkoordination steuerte sowohl den Austausch zwischen den Projektpartnern als auch den Dialog mit der Öffentlichkeit. Zentrale Aufgabe neben der organisatorischen Steuerung war es, sowohl die fachlich-inhaltlichen als auch die politisch-strategischen Anforderungen miteinander zu verknüpfen.

IWaTec – Integrated Water Technologies

Dieses Projekt wurde über die DAAD-Programmlinie „Transformationspartnerschaften mit Ägypten und Tunesien“ bis März 2015 finanziert und vereinte in einem Forschungsnetzwerk universitäre und außeruniversitäre Akteure in Deutschland und Ägypten: Neben zahlreichen UDE-Arbeitsgruppen, die sich der Wasserforschung widmen, war der wichtigste Partner bei IWaTec die ägyptische Fayoum University. Zudem engagierten sich auf deutscher Seite Praxispartner wie Emschergenossenschaft/Lippeverband; auf ägyptischer Seite waren neben zahlreichen weiteren ägyptische Forschungspartnern auch ägyptische Industriepartner wie die Holding Company for Water and Wastewater beteiligt. 

Ziel von IWaTec war es jährlich acht Studierende aus Ägypten im Bereich nachhaltiger Wasserforschung zu schulen. Das Besondere dabei war, dass die ausgewählten Nachwuchswissenschaftler*innen innerhalb von sechsmonatigen Forschungsprojekten bei den deutschen Partnern nicht nur ein umfangreiches theoretisches Wissen, sondern auch umfangreiche praktische Kenntnisse erwerben konnten. Diese können im Heimatland zu Lösungsstrategien für die zahlreichen Probleme mit der kostbaren Ressource Wasser beitragen. Insbesondere in der Megacity Kairo, in der der Nil die einzige Wasserquelle und -senke ist, sind effiziente und integrierte Technologien für eine angemessene Wasserversorgung und Abwasseraufbereitung für die Bevölkerung – auch bei Belastungsspitzen – von entscheidender Bedeutung.

Aus der sehr erfolgreichen Zusammenarbeit der Partner sind neben mehreren gemeinsamen Publikationen auch Folgeprojekte wie zum Beispiel „SUSWADialogue“ entstanden.

EffizienzCluster Logistik Ruhr

Durch den Gewinn des ersten deutschen Spitzenclusters für Logistik, dem EffizienzCluster Logistik Ruhr (Gewinner des Spitzenclusterwettbewerbes des Bundesministeriums für Bildung und Forschung; Förderung 2010–2015) arbeiten Forscher*innen des Zentrums für Logistik und Verkehr in enger Partnerschaft mit dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund und 16 weiteren Wissenschaftspartnern sowie rund 140 Unternehmen an wissens- und technologieintensiven Innovationen der Logistik im Spannungsfeld zwischen der Versorgung fragiler urbaner Systeme, der Effizienzsteigerung der Nutzung natürlicher Ressourcen und der Befriedigung einer individualisierten Gesellschaft über Wege neuer Services. Wichtige Forschungsergebnisse und neue Forschungsperspektiven mit hohem Innovationspotential für Städte lieferten beispielsweise „Dynamics in Navigation“ zu intelligenten anpassungsfähigen Navigationssystemen für die Endnutzer*innen im Stadtverkehr. Neue selbstlernende Wissensbanken für intermodale Transportketten unter Einbeziehung sozialer und ökologischer Parameter („Organisatorische Innovationen mit Good Governance in Logistiknetzwerken“) helfen kooperierenden Unternehmen auch in Bezug auf Fragen urbaner Versorgung. Das Projekt „Dynamische Konsolidierung“ zielt auf die Bereitstellung von logistischen Konzepten zur Einführung von flexiblen und dynamischen Verbindungen im Güterbahnverkehr zwischen global interagierenden urbanen Logistikknoten ab – im Rahmen der Förderung speziell für die Verbindung Duisburg–Moskau.

Zentrale Fragen des EffizienzClusters wurden im Europäischen Forschungsraum (7. Europäisches Forschungsrahmenprgramm) weiter in internationalen Forschungskonsortien vertieft: Bis 2014 wurden im EU-Programm „Regions of Knowledge“ mit dem Projekt LOG4GREEN (www.log4green.eu) über die Partner ZLV und EffizienzCluster Management GmbH wichtige Inhalte des EffizienzClusters internationalisiert und mit der Konzentration auf Nachhaltigkeitspotentiale weiter entwickelt. Die Vertreter des EffizienzClusters Ruhr arbeiten hier mit 5 europäischen Logistikregionen (Wallonien, Normandie, Metropolregion Istanbul, Hafenmetropole Odessa und Kärnten) intersektoral zusammen („Triple Helix“: Wissenschaft, Kommunen/öffentliche Verwaltung, Wirtschaft). Ergebnisse gliedern sich in eine Strategische Interdisziplinäre Forschungsagenda für die EU-Kommission (SIRA), die Förderung junger Expert*innen in eigens entwickelten Formaten sowie regionenübergreifende und regionale Aktionspläne. Die Europäischen Projekte FIspace (www.fispace.eu: Future Internet Business Collaboration Networks in Agri-Food, Transport & Logistics) und Finest (Future-Internet-based ICT Solutions for Sustainable Transport & Logistics) sind virtuelle Living Labs und geschäftliche Kollaborationsplattformen unter Nutzung von „Future Internet Technologies“, in denen ZLV-Wissenschaftler*innen mit weiteren Forschungspartnern, aber vor allem Unternehmen und verschiedenen anderen Stakeholder-Gruppen (Kundengruppen, Behörden, Banken, etc.) kooperieren, um transparente, nachhaltige und klimafreundliche Geschäftsprozesse der Logistik zu fördern.

Logistik und urbane Lebensstile

Das vom ZLV koordinierte und 2015 gestartete BMBF-Projekt „Innovative Logistik für nachhaltige Lebensstile“ (ILONA) setzt erstmals hohe Servicelevels der Logistikwirtschaft in Bezug zu Lebensstilen im nachhaltigen und urbanen Wirtschaften. ILONA untersucht unter anderem dabei neuartige Kollaborationskonzepte regionaler Lebensmittelerzeuger und Belieferungs- und Versorgungskonzepte am Beispiel der Stadtregion Wien und analysiert Nachhaltigkeitsprobleme und -potentiale in den Supply Chains des E-Commerce unter Entwicklung einer neuen nachhaltigen Versandart. Im Projektzusammenhang sind zwei Fragestellungen von zentraler Bedeutung: Wie sollten innovative Logistikdienstleistungen gestaltet sein, die sowohl sozioökologischen Anforderungen gerecht werden als auch nachhaltige Lebensstile von Konsumenten ermöglichen? Wie können andererseits Veränderungen auf der Konsumentenseite aussehen, um nachhaltige Logistikstrukturen zu unterstützen? Die Konsortialpartner beforschen gemeinsam die Möglichkeiten neuer Businessmodelle der Logistik im nachhaltigen Wirtschaften („Lead Sustainability Service Provider“) und verfeinern die wissenschaftliche Methodik der Nachhaltigkeitsbemessung in komplexen Wertschöpfungsmustern mithilfe „starker“ Nachhaltigkeitsmodelle und der Sprache der „System Dynamics“. Projektpartner sind das Collaborating Center for Sustainable Consumption & Production Wuppertal, die Universität Witten-Herdecke, das Center for Media & Health in Gouda, Niederlande, die EffizienzCluster Management GmbH sowie die Unternehmen Schachinger Logistik (Österreich) und Fiege Logistik (Deutschland).

Urbaner Wandel in den USA

Im Rahmen des 2012–2015 von MERCUR geförderten amerikanistischen Promotionskollegs „Spaces, Communities, Representations: Urban Transformations in the United States“ der Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen erforschten sechs Promovierende in ihren Dissertationen urbane Transformationen in der Gestaltung und Nutzung von Räumen, in der Zusammensetzung und Interaktion von Gemeinschaften sowie in kulturellen Repräsentationen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die USA sind dabei für die Erforschung städtischer Räume besonders interessant, da sich dort die beiden zentralen urbanen Entwicklungen der Gegenwart – Wachstum vs. Schrumpfung – parallel untersuchen lassen. Im Fokus der Untersuchung stehen Prozesse des ökonomischen und sozialen Wandels, der Inwertsetzung bzw. „Gentrifizierung“ ehemals vernachlässigter Stadtteile sowie die (sich ebenfalls wandelnde) symbolische Bedeutung und Repräsentation urbaner Räume und ihrer architektonischen und infrastrukturellen „Wahrzeichen“, die auch mit Entwicklungen im Ruhrgebiet in Bezug gesetzt werden können. Auch in diesem Projekt arbeiteten Kolleg*innen der UA Ruhr-Universitäten eng zusammen. Neben den Dissertationen sind hier zahlreiche weitere Publikationen entstanden, unter anderem ein Anfang 2016 erschienener Sammelband mit wesentlichen Ergebnissen des Projekts.

Buchveröffentlichung: Gelsenkirchen. Stadtentwicklung, Strukturwandel und Zukunftsperspektiven

Gelsenkirchen steht wie kaum eine andere Stadt im Ruhrgebiet für Aufstieg und Fall sowie für den Kampf gegen die Krise und nicht zuletzt für die Gestaltung des Wandels. Diese spezifische Entwicklung der gesellschaftlichen wie auch raumstrukturellen Transformation einer Agrarlandschaft zur post-industriellen Stadtregion stand im Mittelpunkt des Projekts. Es handelt sich dabei erst um die zweite Stadtmonographie in der Reihe der Geographischen Kommission/LWL.

Die Darstellung widmet sich zunächst der naturräumlichen Gliederung des Stadtgebietes, der administrativ-räumlichen Struktur sowie den großräumlichen Lagebeziehungen. Es waren insbesondere die schwierigen, nicht selten von außen beeinflussten administrativen Entwicklungen und -zuordnungen, die die heutige bipolare Stadt mit ihren inneren Konkurrenzen hervorgebracht hat. In der räumlich-funktionalen und wirtschaftlichen Entwicklung von der vorindustriellen Kulturlandschaft bis zu den Resultaten der Internationalen Bauausstellung Emscher Park durchlaufen die beiden Teile der Stadt Phasen unterschiedlicher Intensität der industriellen Beeinflussung, aus der zum einen eine unterschiedliche urbane Entwicklung wie auch Unterschiede hinsichtlich der Stadtreparatur und des Stadtneubaus resultieren. 

Die heutige, diversifizierte Wirtschaftsstruktur wird mit Hilfe eines an die Clustertheorie angelehnten Strukturierungsansatzes analysiert. Die Einordnung der Wirtschaft erfolgt mit Hilfe sogenannter Leitmärkte, die die wirtschaftlichen Aktivitäten nachfragebasiert zusammenfassen sollen. Für Gelsenkirchen erweisen sich acht Leitmärkte als relevant. Mittels dieses Ansatzes wird es möglich, prägende Wirtschaftsakteure zu identifizieren und somit auch räumliche Agglomerationen im Stadtgefüge sichtbar zu machen. Die wirtschaftlichen Veränderungen wurden und werden begleitet und/oder initiiert von städtebaulichen und stadtfunktionalen Prozessen und Projekten, beginnend mit der Ausgestaltung eines Zentrensystems mit einem Höchstmaß an Komplementarität über die Einpassung des traditionell umfangreichen Bestandes an Grün- und Freiflächen in die neuen Konzeptionen im Bereich des Emscher Landschaftsparks bis hin zu einem Ausgleich zwischen neuer Bautätigkeit im Bereich Wohnen und Gewerbe und der Bewahrung des durchaus vorhandenen baulichen Erbes. 

Veröffentlichung: Wehling, Hans-Werner (2014): Gelsenkirchen. Stadtentwicklung, Strukturwandel und Zukunftsperspektiven. Münster, Städte und Gemeinden in Westfalen, Band 14.

Zahlreiche weitere Projekte in allen beteiligten Fakultäten befassen sich mit einem breiten Spektrum weiterer Themen, das von abfallwirtschaftlichen Fragen und Problemen der Umweltbelastung kontaminierter Industrieflächen über Fragen des urbanen Wasserkreislaufs, Stadtgesundheit, Elektromobilität und innovative Verkehrskonzepte bis zu politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und technologischen Aspekten der Urbanisierung in Ostasien reicht, die in der IN-EAST School of Advanced Studies behandelt werden, an der Vertreter des Profilschwerpunkts zentral beteiligt sind (s. die Darstellung des Projekts im Abschnitt zum Institut für Ostasienwissenschaften in diesem Forschungsbericht).