Biomedizinische Wissenschaft

Forschung – Höhepunkte im Zeitraum 2012–2013

Die Forschung am ZMB ist in vier Forschungsprogramme gegliedert, die im Folgenden anhand beispielhafter Projekte vorgestellt werden.

Onkologie

Die von Prof. Martin Schuler geleitete Innere Klinik (Tumorforschung) ist die größte universitäre Einrichtung für Medizinische Onkologie in Deutschland. Seit mehr als 40 Jahren widmet sich die Klinik der Erforschung von Diagnose- und Behandlungsverfahren von Krebserkrankungen sowie von Mechanismen der Krebsentstehung, -progression und Therapieresistenz. Die Innere Klinik (Tumorforschung) umfasst aktuell vier unabhängige, drittmittelfinanzierte Arbeitsgruppen: Das Labor für Molekulare Onkologie (Leitung: Prof. Martin Schuler/Dr. Frank Breitenbücher), das Labor für Translationale Sarkomforschung (Leitung: Prof. Sebastian Bauer), die Arbeitsgruppe Molekulare Risikoprofil-Erforschung (Leitung: PD Dr. Andreas-Claudius Hoffmann) und das Labor für Thoraxonkologische Forschung (Leitung: Dr. Daniel C. Christoph). Neben der laborbasierten, präklinischen und translationalen Forschung liegt der Schwerpunkt der Tumor­forschung am UKE in der wissenschaftlich kontrollierten klinischen Erforschung und Anwendung neuer  pharmakologischer Tumortherapien. Hier ist insbesondere die seit mehr als 15 Jahren etablierte, in die Innere Klinik (Tumorforschung) integrierte Onkologische Phase I-Einheit hervorzuheben. Sie gehört zu den europaweit aktivsten Einrichtungen der ­wissenschaftlich kontrollierten Durchführung früher klinischer Studien (First-in-man, Phase I) für medikamentöse Tumortherapien und bildet somit die Brücke von der translationalen Krebsforschung in die klinische Anwendung zum Nutzen von Patienten. Patienten der Tumorklinik wird die Bestimmung eines individuellen Biomarkerprofils anhand einer ­Tumorprobe angeboten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen helfen, für den jeweiligen Patienten die Studienbehandlung mit der höchsten Wahrscheinlichkeit einer Wirkung auszuwählen. Seit dem Jahr 2010 konnten die Mitarbeiter der Inneren Klinik (Tumorforschung) gemeinsam mit dem Institut für Pathologie eines der international führenden Programme der „Biomarker-stratifizierten“ klinischen Medikamentenentwicklung etablieren. Die Vorreiterrolle der Essener Klinik in diesem Bereich zeigen beispielsweise neueste Ergebnisse zur Behandlung von metastasiertem Lungenkrebs. Bei Patienten mit dieser Erkrankung, deren Tumore  als Träger einer so genannten EGFR-Gen-Mutation identifiziert wurden, zeigte ein neuer Wirkstoff, Afatinib, eine deutlich bessere Wirkung als die herkömmliche Chemotherapie. Afatinib ist ein Medikament, das die Signalübertragung in den Tumorzellen hemmt. Die Studie belegte erstmals, dass Lungenkrebspatienten mit der EGFR Mutation von dem neuen Mittel stark profitieren können. Ein ähnliches Ergebnis konnte kürzlich unter Beteiligung der Inneren Klinik (Tumorforschung) für den Wirkstoff Ceritinib bei Patienten mit Lungenkarzinomen, die eine Veränderung des ALK-Gens aufweisen, erbracht werden.

Diese und weitere aktuelle Studien der Tumorklinik sind ein Beleg für das Potential der systematischen Biomarkeranalyse von Krebs­patienten, die das Westdeutsche Tumorzentrum in Essen anbietet. Sie verbessert  die Basis für die Festlegung einer individuell auf einen Patienten zugeschnittenen zielgerichteten Therapie.

Ein weiterer großer Erfolg im Bereich der Tumorforschung wurde durch eine Forschergruppe um Prof. Johannes H. Schulte erreicht, der, wie Prof. Schuler, ZMB-Mitglied ist. Prof. Schulte ist Leiter der Arbeitsgruppe Pädiatrisch-Onkologische Forschung des UKE. Seine Gruppe befasst sich mit der Analyse der molekularen Pathogenese embryonaler Tumore (Neuroblastom, Medulloblastom, Retinoblastom) als Grundlage einer ­rationalen, individualisierten Therapie zur Verbesserung der Heilungsrate von Kindern mit malignen embryonalen Tumoren. Dem Team ist es gelungen, die krebsauslösende Wirkung eines bestimmten Gens (Lin28b) bei der Neuroblastom-Entstehung aufzuklären. In Anerkennung dieses Forschungsergebnisses, das Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Neuroblastomtherapie bietet, wurde Prof. Schulte der Kind-Philipp-Preis 2012 der Gesellschaft für ­Pädiatrische Onkologie und Hämatologie verliehen.

Die Klinik für Dermatologie innerhalb des „Westdeutschen Tumorzentrums“ unter der ­Leitung von Prof. Dirk Schadendorf setzt den Schwerpunkt von experimenteller und klinischer Forschung auf die Diagnose, Therapie und Therapieresistenz des bösartigen Hautkrebses (Melanom). Die ‚Biobank‘ mit derzeit Proben von 10.000 ­Patienten und klinischen Verlaufsdokumentationen stellt eine vitale Grundlage für viele translationale Forschungsprojekte dar. Bis vor wenigen Jahren gab es keine Therapieoptionen, die eine Verlängerung der Lebenszeit bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom bewirken konnten. 2010 zeigte der ­immunmodulierende CTLA-4 Antikörper (Ipilimumab) erstmals  im fortgeschrittenen Melanom-Stadium einen Überlebensvorteil. Weitere Antikörper sind in der klinischen Entwicklung weit fortgeschritten. Wie in der Inneren Klinik (Tumorforschung) wird auch im Bereich der Hautkrebsforschung am UKE ein starkes Augenmerk auf die Erstellung von Mutationsprofilen für jeden zu behandelnden Tumor gerichtet. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine für jeden Patienten optimierte Therapie festzulegen.

Neue molekularpathologische Erkenntnisse führten nun zur Entwicklung neuartiger Substanzen. Dadurch konnte eine zielgerichtete Therapie gefunden werden, bei der Tyrosinkinase-Inhibitoren als Substanzen zum klinischen Einsatz kommen. Hierbei machte man sich die Erkenntnis zu Nutzen, dass der schwarze Hautkrebs bestimmte Veränderungen im Tumor aufweist, so genannte BRAF-Mutationen. Klinische Studien unter ­Beteiligung der Klinik für Dermatologie in Essen erwiesen jetzt die Wirksamkeit einschließlich einer verlängerten Lebenszeit nach Behandlung mit den neuen Wirkstoffen Vemurafenib und Dabrafenib, zwei Kinaseinhibitoren, die spezifisch die Kinaseaktivität von mutiertem BRAF hemmen. Das Ergebnis einer von Prof. Schadendorf geleiteten multizentrische Phase II-Studie mit Dabrafenib bei Hirnmetatasen wurde Ende 2012 in Lancet Oncology publiziert.

Ein weiteres spektakuläres Forschungsergebnis der Gruppe von Prof. Schadendorf in Kollaboration mit dem DKFZ Heidelberg (Arbeitsgruppe Prof. Rajiv Kumar) stellt die Auffindung von Mutationen im Promotor des Telomerase Reverse Transkriptase Gens (TERT) in Hautkrebsgewebeproben dar. Diese Mutationen und die durch sie verursachte erhöhte Expression der Telomerase wird als wichtiger Auslöser der Entstehung von Hautkrebs angesehen. Die an einer Vielzahl von Melanom-Gewebeproben durchgeführte Analyse identifizierte TERT als das am häufigsten bei Hautkrebs mutierte Gen. Bereits metastasierte Tumore tragen die Veränderung sogar in 74 Prozent aller Fälle.

Auf Basis dieser Befunde wird die Telomerase als neues potenzielles Target für die Behandlung von Hautkrebs angesehen.

In der Arbeitsgruppe  Molekulare Infektionsimmunologie, von  Prof. Wiebke Hansen, werden Regulationsmechanismen der Immunabwehr untersucht. Im Berichtszeitraum 2012/2013 gelang es, in Zusammenarbeit mit der Klinik für Dermatologie, den Oberflächenrezeptor Neuropilin-1 als wichtiges Molekül für die Regulation der ­Immunabwehr gegen  Melanome zu identifizieren. Neuropilin-1 wird verstärkt von regulatorischen T-Zellen exprimiert, einer Untergruppe der CD4+ T-Lymphozyten. Diese Zellen besitzen immunsuppressives Potenzial und man geht davon aus, dass sie an der Inhibition einer effizienten Immunabwehr gegen Tumore beteiligt sind. Das Forscherteam konnte zeigen, dass Neuropilin-1 für die Einwanderung von regulatorischen T-Zellen in Tumorgewebe verantwortlich ist. Ausschalten von Neuropilin-1 führt dazu, dass bei entsprechend angelegten Experimenten in Mäusen weniger Melanome entstehen und ein verlangsamtes ­Tumorwachstum nachweisbar ist. Diese Befunde wurden 2012 im hochrangigen Journal of Experimental Medicine publiziert.

Auch im Bereich der Augentumorforschung wurden in 2012 und 2013 bedeutende Ergebnisse erzielt. Ein interdisziplinäres Forscherteam der UDE um Dr. Michael Zeschnigk gelang es in Kooperation mit dem Bereich Genominformatik des Instituts für Humangenetik (Prof. Sven Rahmann) zwei Schlüsselgene zu identifizieren, die für die Entwicklung des häufigsten primären Augentumors, dem Aderhautmelanom, relevant sind. Mutationen in diesen Genen, die als EIF1AX bzw. SF3B1 bezeichnet werden, sind auf den Tumor beschränkt und verantwortlich für dessen Entstehung. Möglich wurde die Studie dank modernster DNA-Sequenzierungstechnologien und genominformatischer Analysemethoden, die am  Universitätsklinikum Essen seit kurzem verfügbar sind. Die Ergebnisse wurden in einer der führenden internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht.

Wegweisende Arbeiten zum Ursprung der Tumorzellen in der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) wurden im Institut für Zellbiologie (Tumorforschung; Leitung Prof. Ralf Küppers) durchgeführt. Durch umfangreiche Genchip­­analysen zur differentiellen Genexpression sowie genetische Analysen der Immunglobulin-Gene konnte die Forschergruppe nachweisen, dass die CLL von einer besonderen Untergruppe reifer ­B-Zellen, den CD5-positiven B-Zellen, ausgeht. Dieser Befund ermöglicht erstmals, gezielt die in der CLL deregulierten Gene zu identifizieren.

Die Arbeitsgruppe von Dr. Cyrus Khandanpour (Klinik für Hämatologie, Leitung Prof. Ulrich Dührsen) in Kooperation mit Prof. Tarik Möröy (Montreal, QC, Kanada) und Prof Leighton Grimes (Cincinnati, OH, USA) konnte mit Hilfe von Mausmodellen und primären Patientenproben nachweisen, dass der Transkriptionsfaktor Growth factor independent 1 (Gfi1) ein wichtiger Über­lebensfaktor von akuten lymphatischen Leukämiezellen ist. Dementsprechend könnte Gfi1 eine neuartige Zielstruktur bei der Therapie von Leukämien darstellen.

Die Lysin-spezifische Histondemethylase LSD1 gilt als vielversprechendes therapeutisches Ziel bei soliden Krebserkrankungen. Die Arbeitsgruppe von Dr. Joachim Göthert konnte in Zusammenarbeit mit Prof. J. Schulte (Kinderklinik, Universitätsklinikum Essen) erstmals nachweisen, dass LSD1 eine essentielle Funktion innerhalb von blutbildenden Stammzellen und Vorläuferzellen ausübt. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass bei einer effizienten pharmakologischen LSD1 Hemmung mit reversiblen hämatologischen Nebenwirkungen zu rechnen ist.

Zum Forschungsprogramm „Onkologie“ gehört auch die Untersuchung zellulärer Vorgänge auf molekularer Ebene, die bei Fehlsteuerung Ursache für die Entstehung von Krebs sein können. Im Institute of „Medical Radiation Biology“ befasst sich die Gruppe von Professor George Iliakis, Mitglied in den GRKs 1431 und 1791, mit Mechanismen der zellulären Antwort auf DNA-Schädigungen. Solche Schädigungen, insbesondere Doppelstrangbrüche (DSB), die als Folge von Fehlern bei der Replikation, über reaktive Sauerstoffradikale, oder durch ionisierende Strahlung entstehen, können gravierende Folgen für das Genom haben. Zellen haben deshalb ein beeindruckendes Netzwerk von Reparaturmechanismen entwickelt, um DSB zu reparieren, und so die Stabilität des Genoms zu sichern. Mit der Aufklärung dieser Reparaturmechanismen und deren Koordination im Zellzyklus befasst sich die Gruppe um Professor Iliakis und hat ihre Forschungsergebnisse in hochrangigen Zeitschriften publiziert, darunter im Wissenschaftsmagazin „Science“im Jahr 2013.

Immunologie, Infektionskrankheiten und Transplantation

Das Immunsystem hat unterschiedliche Mechanismen entwickelt, um auf eine Vielzahl von Pathogenen wie Viren und Bakterien reagieren zu können, Krankheiten zu verhindern und das Fortbestehen des Erregers im infizierten Organismus zu verhindern. Viele Pathogene haben ihrerseits Strategien entwickelt, um der Immunabwehr zu entgehen. ZMB-Arbeitsgruppen analysieren im Rahmen dieses Forschungsprogramms molekulare und zelluläre Wechselwirkungen zwischen Pathogenen und dem Immunsystem mit dem Ziel, grundlegende Mechanismen dieser  Wechselwirkungen zu verstehen und daraus neue Strategien für die Immuntherapie oder die Vakzinierung abzuleiten. Im Bereich der Transplantation ist die Forschung darauf ausgerichtet, die Auslösung der Immunantwort zu verstehen, um Abstoßungs­reaktionen zu vermeiden.

Forschungsschwerpunkte in diesem Bereich werden durch die Zielstellungen der oben bereits vorgestellten Verbundprojekte, dem SFB/TRR60, sowie den Graduiertenkollegs 1045 und dessen Folgeprojekt GRK 1949 abgebildet. Forschungshighlights sind durch Publikationen in hochrangigen Wissenschaftszeitschriften dokumentiert, die hier nur exemplarisch erwähnt werden können.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Carsten Kirschning vom Institut für Medizinische Mikrobiologie des UKE befasst sich mit der Erkennung von Bakterien durch die Wirtszellen. Pathogene werden durch zelluläre Sensoren, die Toll-like Rezeptoren (TLR) erkannt. Ein internationales Forscherteam um Prof. Kirschning untersuchte die komplexe Erkennung von Bakterien und konnte nachweisen, dass TLR13 ein spezifisches Segment der bakteriellen ribosomalen Ribonukleinsäure erkennt. Bedeutsam sind die neuen Erkenntnisse für die Behandlung bakterieller Infektionen ebenso, wie für das Verständnis von Antibiotika-Resistenzen. Außerdem könnten die Ergebnisse bei der Therapie von immunologischen Überreaktionen helfen und Optionen für neue Impfstrategien eröffnen.
Die angeborene oder unspezifische Immun­antwort gehört, wie die adaptive Immunantwort, zum Spektrum möglicher Reaktionen des Immunsystems in allen Organismen auf als fremd eingestufte Stoffe oder Krankheitserreger. So ­limitiert das angeborene Immunsystem die Virus-­Replikation nach Infektion. Die Untersuchung von molekularen und zellulären Mechanismen der Immunantwort steht im Fokus der Gruppe von Prof. Karl Sebastian Lang, Leiter des Instituts für Immunologie der UDE. In diesem Zusammenhang hat die Arbeitsgruppe unlängst die so genannte „forcierte Virusreplikation“ beschrieben. Forcierte Virusreplikation beschreibt die gewollte Replikation von Viren in speziellen Makrophagen in der Milz und den Lymphknoten. Ohne eine forcierte Virusreplikation (zum Beispiel bei Fehlen der speziellen Makrophagen oder bei Fehlen bestimmter Gene) erfolgt keine ausreichende Immun­aktivierung nach Infektion. Dies kann die Entstehung einer Virus-induzierten Erkrankung stark beeinflussen. Die neuen Erkenntnisse wurden 2012 und 2013 in den hochrangigen Zeitschriften Nature Immunology  und PLOS Pathogens publiziert und bilden die Basis für weiterführende Untersuchungen im Rahmen des SFB/TRR60.

Genetik, Entwicklungs-, Molekular- und Zellbiologie

Die im Rahmen dieses Programms arbeitenden Forschungsgruppen verfolgen Fragestellungen zu den Themenkomplexen Chromosomenorganisation, Regulation von Genexpression, Zellzykluskontrolle und Zellproliferation, Zell-Zell-Wechselwirkungen, Entwicklungsbiologie sowie klinische und molekulare Genetik.Thematische Schwerpunkte spiegeln sich in den Zielstellungen der oben genannten DFG-geförderten Verbundprojekte wider.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Hemmo Meyer (Molekularbiologie I, ZMB) ist auf die Unter­suchung eines zentralen regulatorischen Proteinkomplexes namens VCP/p97 konzentriert. Als molekulare ‚Nano-Maschine‘ steuert VCP/p97 die kontrollierte Entsorgung zellulärer Komponenten von Prozessen, die für degenerative Erkrankungen und Genomstabilität relevant sind. Ihre Forschung hat kürzlich zur Aufklärung eines Mechanismus geführt, der grundlegende Bedeutung für eine Muskelerkrankung beim Menschen besitzt. Außerdem haben sie neue Erkenntnisse zum besseren Verständnis zellulärer Reaktionen auf DNA-Schädigung gewonnen. Die laufenden Arbeiten erfolgen im Rahmen der DFG GRKs 1431, “Transcription, Chromatin Structure and DNA Repair in Development and Differentiation”, und 1739, “Molecular determinants of the cellular ­radiation response and their potential for response modulation”, dem neuen SFB 1093, “Supramolecular Chemistry on Proteins”, und dem nationalen DFG Schwerpunktprogramm SPP1365, “The Ubiquitin Family Network”. 2013 organisierte Prof. Meyer einen sehr erfolgreichen Workshops der European Molecular Biology Organisation (EMBO) mit hochkarätigen Experten aus aller Welt: „AAA+ Proteins – from mechanism and disease to targets“.

Prof. Anke Hinney leitet die Abteilung Molekulargenetik innerhalb der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes und Jugendalters der UDE. Die Gruppe führt molekulargenetische Untersuchungen zu genetischen Ursachen der kindlichen Adipositas, von Essstörungen und zur Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) durch. Sie wirkt an entsprechenden Kompetenznetzwerken mit, wie unter anderem dem Adipositas-Netz, das im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) vom BMBF gefördert und von Professor Johannes Hebebrand (UDE) koordiniert wurde. Forschungshöhepunkte waren im Berichtszeitraum die Mitwirkung an Studien zur Identifizierung von Genorten, die mit hohem Körpergewicht assoziiert sind bzw. Studien, die zur Identifizierung eines Gens führten, das mit einem erhöhten Risiko für ADHS bei Kindern assoziiert ist. Die Studien wurden 2012 in Nature Genetics bzw. Molecular Psychiatry publiziert.

Die Forschung des von Prof. Bernhard Horsthemke geleiteten Instituts für Humangenetik der UDE bearbeitet Fragestellungen im Bereich der Klinischen und Molekularen Genetik. Für zwei sehr aktuelle Themen engagiert sich das ­Institut in bundesweiten Netzwerken. So leitet Prof. Horsthemke das BMBF-Projekt „Network Imprinting Diseases“, und seit 2012 ist die Gruppe im Deutschen Epigenom-Programm (DEEP) des BMBF vertreten. Dieses Programm wird mit insgesamt 16 Millionen Euro gefördert, etwa 1,5 Mio. Euro davon fließen im Projektzeitraum (5 Jahre) nach Essen. Durch die erfolgreiche Einwerbung des Projekts wird die Expertise der Essener Humangenetik auf dem Gebiet der DNA-Methylierung sowie seine sehr gute apparative Ausstattung mit  Hochdurchsatzsequenzierung und Genominformatik anerkannt.

Prof. Gunther Wennemuth, Leiter der Ana­tomie am UKE, ist neues Mitglied des ZMB. Seine Forschungsarbeiten befassen sich mit Signalwegen und Signalmolekülen, die für die männliche und weibliche Reproduktion eine essentielle Rolle spielen, unter anderem die Aktivierung von Spermien durch Bikarbonat. In einer neueren Untersuchung konnte die Gruppe die membranständigen und zytoplasmatischen Carboanhydrasen identifizieren, die als Schlüsselenzyme der Spermienmotilität angesehen werden können.

Einen zweiten Forschungsschwerpunkt bildet die Suche nach Onkogenen, die für die Pathogenese des Prostatakarzinoms relevant sind.

Biomolekulare Strukturen und Funktionen

Das Forschungsprogramm Biomolekulare Strukturen und ­Funktionen führt Expertise in Biochemie, Biophysik und chemischer Synthese zusammen mit dem Ziel, molekulare Strukturen und Wechselwirkungen bis auf die Ebene von Atomen ­aufzulösen und um Moleküle zu entwickeln, die spezifisch mit biologischen Faktoren interagieren und als Werkzeuge in der Forschung oder als Leitstrukturen für neue Medikamente dienen können.

Thematische Schwerpunkte in diesem Forschungsprogramm werden unter anderem durch den oben vorgestellten SFB „Supramolekulare Chemie an Proteinen“ sowie die GRKs 1431 und 1739 abgebildet.

Ein zentrales Thema stellt die so genannte Protein Homöostase dar. Dahinter verbergen sich Kontroll- und Reparaturmechanismen, die von der Natur entwickelt wurden, um sicherzustellen, dass neu synthetisierte Proteine biologisch funk­tionsfähig und im richtigen Kompartiment ­innerhalb einer Zelle in adäquater Menge vorhanden sind. Dieser Zustand muss unter normalen, aber auch unter Stressbedingungen erhalten werden. Störungen in der Protein Homöostase haben Einfluss auf Zellfunktionen und können Ursache für Dysfunktionen und Krankheiten sein, die von neurodegenerativen Erkrankungen und Arthritis bis zum Krebs reichen. Eine Proteinfamilie, die so genannten HtrA Serin Proteasen, bilden einen Forschungsschwerpunkt. hHtrA ist ein bifunktionales Protein, das als Protease und Chaperon agiert. Definitionsgemäß enthalten HtrA-Familienmitglieder eine katalytische Einheit und mindestens eine Domäne, die die Interaktion mit anderen Proteinen vermittelt, die so genannte PDZ Domäne. Neue Arbeiten aus der Mikrobiologie um Prof. Michael Ehrmann haben weitere Informationen zum Wirkmechanismus der PDZ Proteasen erbracht. So wurde gezeigt, dass bei der Protease DegQ in einer hohlen ­„Reaktionskammer“ gleichzeitig Proteinreparatur und Proteindegradation Energie-unabhängig ­ablaufen. Durch Kristallstrukturanalyse von CtpB in unterschiedlichen Aktivitätszuständen wurde der molekulare Mechanismus der Signalvermittlung in atomarer Auflösung aufgeklärt, der die Sporenbildung bei Gram positiven Bakterien steuert. Die Arbeiten wurden 2013 in Nature Structural Biology und in Cell veröffentlicht.

Die Abteilung Strukturelle und Medizinische Biochemie von Prof. Peter Bayer ist in dem BMBF-Projekt „Structure based design of MRI probe molecules for the highly sensitive detection of metastases“ engagiert. Der Gruppe gelang jetzt die Entwicklung einer proteinogenen Sonde für die Diagnostik von Tumoren mittels Magnet-Resonanztomographie, die für die klinische Anwendung zum Patent angemeldet wurde.

In Kooperation mit der Universität Aberdeen (GB), wurde der Mechanismus des Eindringens von Oomyceten (Eipilzen) wie Phytophtera oder Saprolegnia in ihre Wirte entschlüsselt. Als Anker für das Andocken und Eindringen der Eipilze dienen Tyrosinsulfatierte Proteinrezeptoren. Die Untersuchungen wurden 2012 in Proceedings of the National Academy of Science publiziert.

Die Arbeitsgruppe Bioinformatik (Prof. Daniel Hoffmann) entwickelte im BMBF-Verbundprojekt „Corus: Coreceptor usage as a marker for specific HIV diagnostics with high sensitivity“ neue Methoden zur computergestützten diagnostischen Charakterisierung von HIV-1. Ein Schwerpunkt der derzeitigen Arbeit der Gruppe im Rahmen des Transregio SFB/TRR60 ist die computergestützte Analyse von Hepatitis C Virus (HCV)-Genomen zur Bestimmung von Wechselwirkungen zwischen Virus und Immunsystem.

Die interdisziplinäre Verknüpfung des ZMB als Verkörperung des Profilschwerpunkts Biomedizinische Wissenschaften wird auch durch die drei Mitglieder dokumentiert, die dem „Center for Nanointegration“ (CENIDE) angehören. Die Professoren Stephan Barcikowski und Matthias Epple sowie Dr. Nils Hartmann befassen sich mit der Herstellung neuer Materialien für die Medizin und Technik auf Basis der Nanotechnologie. Das Team von Prof. Epple entwickelte zum Beispiel eine „Paste aus Nanopartikeln“, die zur Behandlung von Knochendefekten eingesetzt werden kann.