Institut für Experimentelle Mathematik

Eine ausgewogene Mischung von Grundlagenforschung und anwendungsorientierten Forschungsbeiträgen gemäß der interdisziplinären Konzeption des IEM bieten hervorragende Möglichkeiten zur schnellen Nutzbarmachung der Forschungsergebnisse.
Die Forschungsaktivitäten der Arbeitsgruppe Diskrete Mathematik wurzeln in einem Grundprinzip der Mathematik, das besagt, dass eine mathematische Struktur durch das Studium ihrer Symmetriegruppe besser verstanden werden kann. Dadurch können gruppentheoretische Methoden - die diskreter Natur sind - zum Studium von Fragen aus Geometrie, Algebra, Zahlentheorie, Topologie, Funktionstheorie und verschiedenen Anwendungsgebieten wie Kodierungstheorie und Kryptographie eingesetzt werden.
Die Arbeitsgruppe arbeitet sowohl an der Bereitstellung der benötigten gruppentheoretischen Hilfsmittel als auch an deren Anwendung in anderen Disziplinen. Vieles davon beruht wesentlich auf dem Einsatz moderner Computeralgebrasysteme wie GAP, MAGMA und MAPLE.
Konkrete Forschungsthemen sind so genannte hochsymmetrische algebraische Kurven und Riemannsche Flächen, Invariantentheorie binärer Formen, das Umkehrproblem der Galoistheorie, Charakter- und Darstellungstheorie endlicher Gruppen, Permutationsgruppen mit fixpunktarmen Elementen, Kodierungstheorie und Kryptographie. Es wird gerade ein Projekt vorbereitet, in dem die expliziten Formen gewisser Invarianten in einer Datenbank gesammelt und verschiedene Anwendungen abgeleitet werden sollen. Am Lehrstuhl für Mathematische Methoden der Datenübertragung wird die mathematische Theorie der Kommunikation erforscht. Gründungsvater dieser Disziplin und Vorbild für die Arbeitsgruppe ist Claude Elwood Shannon (1916-2001), der 1948 das Standardwerk "A Mathematical Theory of Communication" veröffentlichte und damit den mathematischen Grundstein der digitalen Kommunikation legte.
Die Arbeitsgruppe versucht - ähnlich wie Shannon damals - das Problem misslungener digitaler Kommunikation zu lösen. Sie arbeitet unter anderem an der Frage: Wie kann eine Nachricht, die von einem Sender kodiert und versandt, aber durch eine Störung im Kommunikationskanal unvollständig übermittelt wurde, vom Empfänger ohne Informationsverlust dekodiert werden? - Grundlagenforschung, die in der heutigen digitalisierten Welt zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Neben der Kommunikationstheorie der Datenübertragung setzt der Lehrstuhl vier weitere Schwerpunkte: Technische Kommunikation, Mehrnutzerkommunikation, Kodierungstechniken und Datensicherheit. Ein großes, langjähriges Forschungsprojekt zur Technischen Kommunikation war die Entwicklung von Übertragungs- und Kodierungsmethoden für die Übertragung von Daten via Stromnetz.
In einem aktuellen Projekt zum Thema Datensicherheit werden neue Public-Key-Verfahren auf der Basis der Faktorisierung von endlichen Gruppen untersucht und entwickelt. Die Sicherheit eines solchen gut entworfenen Systems wäre im Gegensatz zu den heute benutzten Public-Key-Verfahren auch noch für das kommende Zeitalter des Quantencomputers garantiert.
Ein weiteres aktuelles Forschungsprojekt erforscht die Grundlagen sicherer Übertragung biometrischer Daten. Denn ob Fingerprint oder das Erfassen der Physiognomie von Gesichtern - biometrische Daten verändern sich und erschweren somit die einwandfreie Erkennung durch Sicherheitssysteme. Außerdem ist die sichere Speicherung der biometrischen Daten für die Gesellschaft von großer Bedeutung. Sicherheitssysteme zu optimieren und kritische Infrastrukturen wie Energie-, Telefon- oder Verkehrsnetze zu schützen, beinhalten auch immer Aufgaben für Datenübertragungsexpertinnen und -experten.
Der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftungslehrstuhl Technik der Rechnernetze konzentriert seine Forschungsaktivitäten auf zwei Bereiche: neue Netztechnologien, ihre Netzkonzepte und die zugehörigen Protokolle auf der einen Seite, und aktuelle Aspekte der Netzsicherheit auf der anderen. Die Arbeiten zu einem von der IETF (Internet Engineering Task Force) standardisierten Konzept zur Unterstützung hoch verfügbarer Dienste (Reliable Server Pooling) konnten mit dem erfolgreichen Abschluss des entsprechenden DFG-Projektes ebenfalls erfolgreich abgeschlossen werden. Die in diesem Zusammenhang entstandene Dissertation von Thomas Dreibholz wurde mit dem Wissenschaftspreis der Sparkasse Essen ausgezeichnet, die ebenfalls im Rahmen des Projektes angefertigte Bachelorarbeit von Pascal Schöttle mit dem CAST-Preis für IT-Sicherheit. Inhaltliche Beiträge und aktive Mitarbeit bei der Ausarbeitung haben maßgeblich zur endgültigen Verabschiedung der zugehörigen IETF-Standards Ende 2008 beigetragen. Die Forschungsarbeiten zur Weiterentwicklung des neuen Internet-Transportprotokolls SCTP (Stream Control Transmission Protocol) werden in Kooperation mit der Hochschule Münster in einem gemeinsamen DFG-Projekt weitergeführt. In einem durch das BMBF geförderten Projekt zu grundlegenden Architektur- und Sicherheitsfragen für das "Future Internet" werden die beiden Kompetenzbereiche des Lehrstuhls zusammengeführt und mit Fraunhofer Fokus und der TU Kaiserslautern im Rahmen der deutschen G-Lab-Initiative weiter entwickelt. Daneben sind Forschungsarbeiten zur Sicherheit von Peer-to-Peer-Netzen und zum Schutz der IP-basierten Telefonie (Voice over IP) weitere Schwerpunktthemen. Die Forschungsaktivitäten des Lehrstuhls leisten damit einen Beitrag dazu, das heutige und das künftige Internet für die vielfältigen Sprach- und Multimedia-Anwendungen besser und sicherer nutzbar zu machen. Ziel des Lehrstuhls ist es, die Forschungsergebnisse - neben der Publikation in internationalen Veröffentlichungen - auch direkt in die relevante Standardisierung einzubringen um sie weltweit praktisch nutzbar zu machen.
Das Arbeitsgebiet der Arbeitsgruppe Zahlentheorie ist die arithmetische Geometrie und algebraische Zahlentheorie. Zu einem großen Teil lassen sich die behandelten Fragen einordnen in das so genannte Langlands-Programm, ein beherrschendes und hochaktuelles Thema der Zahlentheorie.
Das grundsätzliche Anliegen der algebraischen Geometrie ist, die Struktur der Lösungsmenge von polynomialen Gleichungen geometrisch zu verstehen. Ein einfaches Beispiel ist die Gleichung x²+y²=1, deren Lösungsmenge (in der reellen Zahlenebene) der Kreis aller Punkte mit Abstand 1 vom Ursprung ist. Im Allgemeinen ist es sehr kompliziert, geometrische Eigenschaften eines gegebenen Systems von Gleichungen zu beschreiben. Ein besonders reizvoller Aspekt ist der, dass man mit dieser Theorie geometrische Intuition auch auf zahlentheoretische Fragen anwenden kann.
Es besteht ein intensives Miteinander von Forschung an aktuellen theoretischen Fragestellungen und dem weitreichenden Einsatz expliziter, algorithmischer und experimenteller Methoden: Tiefe Einblicke beruhen oft auf der Kenntnis nur mit dem Computer berechenbarer Beispiele, und andererseits erweist sich ein fundiertes Verständnis theoretischer Zusammenhänge häufig als sehr fruchtbar oder gar unerlässlich, um bislang unmögliche Berechnungen durchzuführen und neuartige Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Anwendungen bestehen vor allem im Gebiet der Datensicherheit, das die Kryptographie und die Kodierungstheorie umfasst.