Gesellschaftswissenschaften

Die politische Welt ist durch Phänomene der Entgrenzung gekennzeichnet. Vorbei scheint die Zeit, in der man die Lösung gesellschaftlicher Probleme als exklusive Angelegenheit von souveränen Regierungen von Nationalstaaten begreifen konnte. Mit fortschreitender gesellschaftlicher Differenzierung wachsen gleichzeitig aber auch die Erwartungen der Bürger an die Leistungsfähigkeit der Politik. Zivilgesellschaftliche Akteure und solche der Wirtschaft, nationale, aber auch transnationale Nicht-Regierungsorganisationen sind heute ebenso wie global operierende Konzerne zu wichtigen Spielern in der politischen Arena geworden. Zugleich setzt die Wirtschaft den Gestaltungsspielräumen staatlicher Akteure immer engere Grenzen. Verbindliches Entscheiden im formalen Rahmen hierarchischer „government“-Strukturen mit Regierungen und Verwaltungen verliert an Bedeutung und wird mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ersetzt durch „governance“: komplexe Abstimmungs-, Koordinations- und Verhandlungsprozesse in plurizentrischen Netzwerkstrukturen.
Vor diesem Hintergrund untersucht das Institut für Politikwissenschaft neue Formen von „governance“ (einschließlich der nach wie vor vorhandenen „government“-Elemente) für Industrie-, Transformations- und Entwicklungsländer. Es arbeitet dabei eng mit deutschen und internationalen Partnern zusammen, so unter anderem mit der Nankai University sowie der Fudan University / Shanghai (VR China), die University of Stellenbosch (Südafrika) oder dem Australian Center for Peace and Conflict Studies in Brisbane (Australien). Die Forschung ist entlang dreier Schwerpunkte strukturiert: Der Schwerpunkt „global governance“ widmet sich der Frage, wie globale Probleme angesichts des Globalisierungsprozesses und der geschwächten Regelungskompetenz des Nationalstaates durch eine Kooperation staatlicher, internationaler und nicht-staatlicher Akteure erfolgreich bearbeitet werden können. Im Schwerpunkt „governance and government in world regions“ geht es um Probleme des politischen Gestaltens in drei ausgewählten Weltregionen, für die das Institutbesondere Expertise besitzt: Europa, Ost- und Südostasien sowie das sub-saharische Afrika. Der Forschungsschwerpunkt „democratic governance“ reagiert auf die zunehmende Komplexität der Vorbereitung, Herstellung und Implementation politischer Entscheidungen in der Bundesrepublik Deutschland. Zu den erforschten Themenkreisen gehören Probleme der Verwaltungsmodernisierung einschließlich des Einsatzes neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Managementprobleme des Regierens in Bund und Ländern einschließlich der medialen und nicht-medialen Politikvermittlung und ihres Einflusses auf die öffentliche Meinung sowie Aspekte von „urban governance“, das heißt politischer Steuerung und institutionellen Arrangements in zentralen Feldern der Stadtpolitik.
Unter anderem wurden in den letzten beiden Jahren die folgenden Forschungsprojekte bearbeitet und abgeschlossen, die sich in kompetitiven Antragsverfahren hatten durchsetzen können:
„Konfliktbeilegung durch Europäisierung? Griechenland und seine Nachbarn Maze­donien und Türkei“, Volkswagen Stiftung (Prof. Heinz-Jürgen Axt), „Kampagnendynamik 2005. Eine Rolling Cross-Section / Panel-Studie zu den Wirkungen des Wahlkampfes bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005“, DFG (Prof. Rüdiger Schmitt-Beck), „Herstellung und Sicherung kollektiv verbindlicher politisch-administrativer Entscheidungen im Rahmen eines Kommunalisierungsprozesses“, DFG (Prof. Dieter Grunow), „Wahlen, Partizipation und soziale Stabilität in Chinas Dörfern und städtischen Wohnvierteln“, DFG (Prof. Dr. Thomas Heberer), „Party-Bans in Africa“, Fritz-Thyssen-Stiftung (Prof. Christof Hartmann, zusammen mit Prof. Matthijs Boogards (Jacobs University Bremen); Dr. Matthias Basedau (GIGA, Hamburg) und Prof. Peter Niesen (TU Darmstadt)).