Biologie und Geographie

Das Zentrum für Medizinische Biotechno­logie (ZMB) bündelt grundlagenorientierte biomedizinische Forschung mit über 40 beteiligten Arbeitsgruppen am Campus und am Universitätsklinikum. Ziel der Forschung am ZMB ist es, die Mechanismen von Krankheiten auf molekularer Ebene zu erkennen und biotechnologische Methoden zu finden, mit denen sich diese Prozesse beeinflussen lassen und neue diagnos­tische Verfahren und Therapien ermöglichen.
In der Abteilung „Strukturelle und Medi­zinische Biochemie“ von Prof. Peter Bayer ist ein zentrales Thema die Forschung an Parvulinen, einer Klasse von Peptid-Isomerasen, die vielfältige Aufgaben in der Zellzyklusregulation und beider Entstehung von Krebs hat. Hier wurde eine neue Isomerase, Par17, erstmalig beschrieben und als hominid-spezifisch und in der Matrix von Mitochondrien identifiziert. Strukturelle und funktionale Studien werden zurzeit durchgeführt – Analysen der Zellzyklusregulation in Zusammenarbeit mit Prof. Kurt Engeland (Universität Leipzig). Einen zweiten Forschungsschwerpunkt bildet die Analyse von Sulfatierungsprozessen von Proteinen, die für Rezeptoren und sezernierte Proteine eine entscheidende funktionelle Rolle zum Beispiel beim Eindringen von HIV oder bei der Blutgerinnung spielen. Die Arbeitsgruppe forscht an den molekularen Mechanismen der Sulfatierung und der atomaren Strukturaufklärung des entsprechenden enzymatischen Apparates. Darüber hinaus interessieren wir uns für die Sulfatyrosine vermittelte Interaktion von HIV und seinen zellulären Rezeptoren. Im Zeitraum 2007 / 08 gab es mit dem 700 MHz-NMR-(nuclear magnetic resonance)Gerät erfolgreiche Kooperationen mit Dr. Wulf Blankenfeldt (Max-Planck-Institut Dortmund), Prof. Jutta Eichler (Universität Erlangen) und Dr. Igor Zhukov, National Institute of Chemistry, Slovenian NMR Centre, Slovenia.
Die Arbeitsgruppe „Genetik“ von Prof. Ann Ehrenhofer-Murray beschäftigt die Frage, wie eukaryote Zellen ihr genetisches Material (DNA) in Chromatin im Zellkernverpacken. Unterschiede in der Chromatin­verpackung bestimmen, wo und wann die Gene exprimiert werden. Im Heterochromatin sind die DNA-Bereiche stillgelegt und es können keine Gene abgelesen und nachfolgend Proteinesynthetisiert werden, wohin gegen im aufgelockerten Euchromatin die codierenden DNA-Bereicheaktiv sein können. Die korrekte zeitliche und örtliche Expression der Gene ist notwendig für normales Wachstum und Entwicklung. Neueste Forschungsergebnisse beschreiben einen bisher unbekannten Mechanismus, der die Begrenzung von Heterochromatin, also den stillgelegtenBereichen der Chromosomen, gewährleistet.In einem weiteren Projekt untersuchten dieForscher eine Histon Deacetylase, die am Startpunkt der Replikation mit dem Chromatinassoziiert ist (Sum1 / Rfm1 / Hst1 HistonDeacetylase). Detaillierte Untersuchungenzeigen, mit welchen anderen Faktoren die Deacetylase einen Komplex bildet und dassdieser für die Initiation der Replikation verantwortlich ist.
Ziel der Forschung von Prof. Michael Ehrmann und Mitarbeitern in der Arbeitsgrupe Mikro­biolologie II ist das molekulare Verständnis der biologischen Protein-Qualitätskontrolle in der Zelle. Für den Organismus ist es lebenswichtig schadhafte Proteine zu erkennen. Die Ansammlung defekter Proteine in der Zelle könnenwichtige Abläufe stören und so beim Menschen eine Reihe von Erkrankungen wie Krebs, Alzheimer, Parkinson oder Arthritis begünstigen. Bei Bakterien hingegen kann ein Funktions­verlust dieser Kontroll-Proteine die Virulenzbeeinträchtigen. In der Fachzeitschrift Naturebeschreiben die Wissenschaftler zusammen mit Forschergruppen aus Wien (Tim Clausen) und London (Helen Saibil) neueste Erkenntnisse über das multifunktionale Molekül namens DegP, das defekte Proteine eliminiert, leicht schadhafte Proteine repariert und intakte Proteine schützt. Sie fanden heraus, dass DegP seine eigene Größe und Aktivität an die Zielproteine anpassen kann. Die neuen Einblicke in die Arbeitsweise von DegP, die in atomarer Auflösung gewonnenwurden, sollen in Zukunft helfen, bakterielleInfektionen besser zu bekämpfen. Durch die Entwicklung eines neuen Antibiotikums soll die bakterielle DegP-Funktion unterbunden werden. 2009 wird sich die Forschergruppe weiterhin auf die Auswertung einer Kristallstruktur derhumanen Protease (Htra1) konzentrieren, sowie ein High Throughput Screen für Inhibitoren der Stressprotease DegS durchführen. Ziel ist es,bessere Inhibitoren zu identifizieren und zutesten, ob diese als neue Antibiotika eingesetzt werden könnten.
Im März 2008 wurde die Arbeitsgruppe von Prof. Perihan Nalbant, Molekulare Zellbiologie, neu besetzt. Im Zuge dieser Berufung wurde ein konfokales Lasermikroskop aufgebaut, mit dem subzelluläre Strukturen hochaufgelöst dargestellt werden können. Die Arbeitsgruppe hat inzwischen erfolgreich erste Experimente sowohl zur drei­dimensionalen Bildaufnahme als auch zurzeitlich-dynamischen Auflösung der molekularen Vorgänge in einzelnen, lebenden Zellen etabliert. Es wird das Ziel verfolgt, zelluläre Mechanismen zu charakterisieren, welche bei der Metasta­sierung von Krebszellen wichtig sind. Imkommenden Jahr werden daher insbesondereregulatorische Proteine untersucht, die die Migration von Krebszellen kontrollieren unddaher kritisch für die Streuung des Primärtumors sind.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Daniel Hoffmann erforscht mit computergestützten Methoden die Evolution von Biomolekülen. Aktuelle Projekte umfassen die Entwicklung von evolutionären Optimierungsmethoden für das automatische Design funktionaler Peptide und Proteine, und die Anwendung dieser Methoden auf Probleme in der medizinischen Diagnostik. Ein Beispiel für Letztere ist das BMBF-Verbundprojekt „Corus: Co-receptor usage as a marker forspecific HIV diagnostics with high sensitivity“, in dem die Gruppe Peptide entwirft, die selektiv an unterschiedliche HIV-Varianten binden. Vorhersagen zum automatischen Design werden in Zusammenarbeit mit experimentellen Gruppen getestet, darunter der Arbeitsgruppe „Strukturelle und medizinische Biochemie“ (Prof. Peter Bayer). Daneben wendet die Gruppe viele Methoden des Biomolecular Modelling und der Bioinformatik an, um spezifische biomedizinische Fragen zu beantworten. So konnte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Genetik des Universitätsklinikums Essen (Prof. Bernhard Horsthemke) einem echanistisch-molekulare Erklärung für einen Defekt in einem Zinkfinger-Gen gefunden werden.
Die Arbeitsgruppe „Entwicklungsbiologie“ um Prof. Andrea Vortkamp interessiert sich für die Aufklärung der embryonalen Prozesse der Knorpel- und Knochendifferenzierung. Das Wirbeltier-Skelett wird während der Embryonalentwicklung zunächst in Form von Knorpelangelegt und erlangt durch einen langsamen, sukzessiven Verknöcherungsprozess seine endgültige Gestalt. Das Ziel der Forschung ist es, genetisch oder altersbedingte Skeletterkrankungen zu verstehen und gezielte Therapien zu entwickeln. Aktuell liegt der Fokus unter anderem auf der Untersuchung zweier Transkriptionsfaktoren, TRPS und Gli3, die die Knorpelzelldifferenzierung regulieren und die Größe der Skelettelemente steuern. Patienten mit Mutationen des TRPS1- oder Gli3-Gens zeigen Knochendefekte und Kleinwuchs, die am Tiermodell der Maus nachgebildet und untersucht werden können. Neueste Untersuchungen haben ergeben, dass beide Faktoren miteinander interagieren. Ein weiterer Fokus der Untersuchungen liegt auf der Analyse extra­zellulärer Signalwege in der Matrix des Knorpels. Es wurde untersucht inwieweit veränderteSulfatisierungsmuster in der extrazellulärenMatrix den Prozess der Knorpel- und Knochendifferenzierung beeinträchtigen.